Foto: Die Distanz zwischen dem ehemaligen Liebespaar, gespielt von Larissa Sirah Herden und Lars Eidinger, wird größer. © Jan Versweyveld, Ruhrtriennale 2025
Text:Joachim Lange, am 22. August 2025
Zum Auftakt der Ruhrtriennale inszeniert Intendant Ivo van Hoven „I Did It My Way“: Ein Stück, das anhand von Sinatra- und Simone-Songs vom Leben nach der Liebe erzählt. Wirklich viel kann die Inszenierung dem Publikum aber nicht mit nach Hause geben. Auch nicht mit Lars Eidinger in einer der Hauptrollen.
Er verkörperte schon Hamlet und diverse Shakespeare-Schurken, Peer Gynt und den sterbenden Herrn Jedermann, Stanley Kowalski und viele andere. Auf der Bühne und auf der Leinwand macht er aus jeder Rolle, die er spielt, ein Ereignis. Weil er sich ausliefert. Im übertragenen Sinne und manchmal auch wörtlich entblößt. Lars Eidinger kann viel, aber wie Frank Sinatra oder auch nur akzeptabel in seinem Schatten singen, das gehört eher nicht zu seinen vielen Fähigkeiten. Muss es auch nicht.
Aber Ivo van Hove schickt ihn zur Eröffnung der mittleren Ausgabe seiner Dreijahresscheibe als Intendant der Ruhrtriennale dennoch unter dem Titel von Sinatras „I Did It My Way“ ins Rennen. Den melancholischen Song, den u. a. der Basta-Kanzler Schröder bei seinem Abschiedszapfenstreich spielen ließ. Zusammen und im Wechsel mit Larissa Sirah Herden und der von Henry Hey geleiteten zehnköpfigen Bigband in der Jahrhunderthalle gibt es jetzt im Grunde 29 Titel, die auf Kompositionen von Nina Simone und Frank Sinatra basieren. Basis ist Frank Sinatras Konzeptalbum „Watertown“ (1970). Dem da verlassenen Mann ist die Partnerin, die ihn verlässt, hinzuerfunden und mit Musik von Nina Simone ausgestattet.
Eidinger übernimmt dabei den Sinatra-Part – Herden den mit den Simone-Songs. Es geht um eine Beziehung, die in der Krise oder zu Ende ist. Er trauert ihr ausgiebig nach. Mit viel relativ unverbindlicher Stimmt-irgendwie-immer-Poesie. Eidinger präsentiert sie mit einer seltsam verschlenkerten Choreografie, die Serge Aimé Coulibaly ihm und seinen zwei Tänzerschatten Marco Labellarte und Samuel Planas verpasst hat. Auch Herden wird so von Ida Faho und Sylvie Sanou gedoubelt. Die Chance, eine eigenständig wirkende Ebene einzuziehen, nutzen diese Personalerweiterungen freilich nicht.
Im Vergleich eher blass
Zum Problem wird dabei, dass Eidinger mit seiner Schauspielerstimme zu singen versucht. Dass sein deutscher Akzent dabei allzu präsent ist, scheint ihn nicht zu stören. Auf die Dauer ist das freilich dann doch nicht so authentisch, wie man am Anfang noch wohlwollend unterstellen könnte. Bei Larissa Sirah Herden steht ihr Musicaltalent außer Frage. Ihre Songs sitzen. Die vitale Art, wie sie sie präsentiert, auch.
Im Grunde setzt van Hove mit seiner eher angedeuteten als wirklich durchdachten und gut sitzenden Inszenierung auf eine theatrale Behauptung und auf Namedropping. Mit Blick auf etablierten Ruhm mit Nostalgiepatina bei Frank Sinatra. Mit Blick auf den Glanz, den die Bühne und Leinwand auch heute noch für herausragende Mimen bereithalten, bei Lars Eidinger. Bei der Eröffnung des ersten Jahrgangs der van Hove-Intendanz im vorigen Jahr hat dieses Konzept funktioniert. Weil Sandra Hüller bei dem (tatsächlich) inszenierten Rockkonzert „I Want Absolute Beauty“ eindrucksvoll vorführte, dass sie neben dem Ausspielen ihrer Bühnenpräsenz eben auch singen kann. Um sich an die Anderthalbstunden und die Schauspielerinnen-Wucht und Kondition, die einem schlichtweg den Atem nahm, zu erinnern, blieb bei „I Did It My Way“ reichlich Zeit. Zu viel Zeit. Der melancholische Grundton touchiert auf die Dauer zu oft die Langeweile.
Applaus für die Bigband
Jan Versweyveld hat eine Hausfassade nebst Straßenlaterne als Bühne in die Jahrhunderthalle gebaut. Ein Ort, von dem Herden (nachvollziehbar) flieht. Wenn sie für die Trennung zuerst ihre (nicht seine) Sachen aus dem Fenster wirft und sie dann unter der Laterne in ihren Koffer räumt, kann man sich zumindest mal für einen Moment über dieses Vorgehen amüsieren. Auch wenn es sich kaum nachvollziehen lässt. Das Beste an dieser Fassade ist das fehlende Dach: Dort, wo das eigentlich aufragen müsste, ist die Big Band platziert. Von hier oben steuert sie ihren Part bei und kassiert dafür zu Recht ihren Beifall.
Die Fassade wird dann auch immer mal zur Projektionsfläche für die Videos von Christopher Ash. Die von Eidinger zelebrierte Liebeserklärung an die USA, ihre Freiheit, Demokratie und vor allem ihre Menschen wirkt heute etwas merkwürdig weltfremd. Die Hommage an Martin Luther King („Why? The King of Love is Dead“) wirkt im Ganzen eher wie ein Alibiexkurs ins Politische. So wie die Bilder mit öffentlich gehängten Schwarzen, auf denen man die Jahreszahl 1930 ausmacht. Oder die Bilder von Polizei, die auf protestierende, vor allem Schwarze US-Amerikaner einprügelt. Kings eingespieltes Redefragment freilich klingt eher rabiat-religiös als kämpferisch-emanzipatorisch.
Dass die Beziehungskrise bzw. das Scheitern einer Liebe, von der erzählt wird, mit ihrer und seiner Hautfarbe zu tun hat, bleibt eher eine Programm-Behauptung, die sich auf der Bühne bei dieser ziemlich lauen Kunstbehauptung nicht erschließt. Die Ruhrtriennale hat gerade erst begonnen und kann nur besser werden. Und dann kommt ja 2027 Lydia Steier.