Maike Jüttendonk, Regine Andratschke und Florian Steffens in "Frühlingsstürme"

Hollywoodschaukel-Welten

Tennessee Williams: Frühlingsstürme

Theater:Theater Münster, Premiere:22.02.2013 (DSE)Regie:Frank Behnke

Man ist sofort vertraut mit diesen Südstaatlern, den giftenden, bigotten Nachbarn, dem erotisch aufgeladenen Arbeiterjungen, den unerfüllten Fräuleins, die den Ausbruch schaffen oder nicht. Es ist die Welt des Tennessee Williams, wie er sie als junger Mann erlebte, wie er sie uns in Klassikern wie „Katze auf dem heißen Blechdach“ erzählte. Als 26-Jähriger schrieb er auch die „Frühlingsstürme“, die jetzt im Theater Münster ihre späte deutschsprachige Erstaufführung erlebten.

Die leere Bühne von David Hohmann ist mit Hollywoodschaukeln behängt, die sich hoch- und runterfahren lassen. Das erweckt sofort Südstaatenassoziationen, erinnert aber auch an die ebenso verklemmte deutsche Reihenhaus-Partykultur. Auch die Probleme Heranwachsender, ihren Lebensentwurf zu finden und dabei ebenso sexuell ihren Weg zu machen, sind heute so bedrängend wie damals. In den jungen Leuten des Stücks ließen sich die Figuren aus Wedekinds „Frühlings Erwachen“ mühelos wiedererkennen.

Münsters Schauspieldirektor Frank Behnke bleibt denn auch nah dran an den Handelnden, verzichtet auf aktualisierenden Schnickschnack. Eher neigt er zur symbolischen Überhöhung, wenn die Jungs auf einem großen Ventilator gegen die Frühlingsstürme in sich kämpfen oder schwarze Schnipsel davonwehen lassen. Die Society trägt gern Masken, wenn sie ihr schnippisches Gestanze über die Leute auslässt, klasse das Arrangement zur ätzenden Chorusline auf der Party. Im Zentrum des Stücks steht Heavenly, welch ein Name!, Tochter aus gutem, aber verarmtem Hause. Die Mutter (Carola von Seckendorff) drängt folglich auf reiche Heirat, wofür sich der etwas verklemmte Arthur anbietet. Doch Heavenly steht natürlich auf den muskelbepackten Dick (Maximilian Scheidt), im Englischen auch ein sprechender Name. Maike Jüttendonk überzeugt mit ihrem kräftigen, sehr selbstbewussten Ton, diese Heavenly will vor allem raus aus diesen beengten Verhältnissen, doch ihre Wünsche sind sehr körperlich bestimmt. Als Arthur sie zu küssen wagt, scheint ihr plötzlich auch der Ausweg mit ihm möglich. Dieser vordergründig brave Knabe entpuppt sich im Lauf des Stücks zu einem Dämon aus nicht verwundener Demütigung. Florian Steffens erinnert dabei in seinem Mienenspiel zuweilen an Klaus Kinski, und wie ein enthemmter Bacchant fällt er, betrunken gemacht und wieder verspottet, über die arme Bibliotheksgehilfin Hertha her. Lilly Gropper gibt diesem Mädchen voller literaturgeprägter Träume, das eigentlich sogar in Arthur verliebt ist, zunächst die weiche Begeisterung jener, die sich in Visionen verwirklichen, dazwischen die Bitterkeit der Vergessenen, nach der Vergewaltigung den Schrei und die gefährliche Ruhe der Zerstörten.

Ihr Selbstmord platzt in das sich anbahnende Glück Arthurs mit Heavenly. Steffens zeigt mit schöner Emphase, wie sich Arthur eben von seinem Dämon befreit hatte, der Lebensdruck einer freudigen Lust gewichen war. Folgt der Zusammenbruch. Es ist nicht leicht, in diesen Hollywoodschaukel-Welten glücklich zu werden. Und da hat Williams von den Facebookwelten noch gar nichts geahnt! Ein packendes Stück, hervorragend gespielt. Großer Applaus nach der Premiere.