Foto: Emil Vandersee (Lasso) und Milla Luisa Dell' Anna (Prinzessin Scharada). © Nancy Jesse
Text:Ulrike Kolter, am 12. Oktober 2025
Die Deutsche Oper Berlin zeigt Detlev Glanerts 2003 uraufgeführte Kinder-Oper „Die drei Rätsel“. In riesiger Besetzung mit Solisten, Kinder- und Jugendchor sowie jungen Orchester-Mitgliedern beweist die humorvolle Inszenierung von Brigitte Dethier, dass zeitgenössisches Musiktheater auch partizipativ gelingen kann – und das auf höchstem Niveau.
Eigentlich ist die Party im Publikum vorprogrammiert bei einer Opern-Premiere, wo dutzende Kinder- und Jugendliche als Chor und Solisten besetzt sind und sich sogar das Orchester aus Profis und jungen Laien zusammensetzt. „Die drei Rätsel“ sind schon kompositorisch als Partizipation angelegt: Musiktheater von Kindern für Kinder, ganz so, wie Detlev Glanert sich das bei der Entstehung des Werkes in Montepulciano vorgestellt hatte. Wenn eine Inszenierung dann so glückt, dass immer wieder einzeln arrangierte Bilder mit tosendem Applaus begrüßt werden, zeigt das: Musiktheater kann auch ein junges Publikum in Ekstase versetzen – noch dazu mit der gleichen musikalischen Qualität wie das der „Großen“.
Große Bühne für riesige Besetzung
Die Deutsche Oper Berlin öffnet ihre große Bühne für die üppige Besetzung mit Solisten, Jungem Chor und dem Kinderchor des Hauses – und diesen Raum braucht es auch für Detlev Glanerts dramaturgisches Meisterwerk. „Die drei Rätsel“ adaptiert mit Turandot einen der bekanntesten Opernstoffe für Heranwachsende. Der Junge Lasso will das raue Kneipenleben seiner Mutter Popa verlassen, um Prinzessin Scharada für sich zu gewinnen. Dafür muss er ihr drei unlösbare Rätsel stellen. Errät sie nur eins, rollt sein Kopf wie schon bei Dutzenden anderen Heiratswilligen vor ihm. Trotzdem wagt er sein Glück, das Abschiedsgeschenk von Mutter Popa – ein vergifteter Kuchen – wird ihm dabei märchenhaft helfen. Unterwegs überlebt Lasso den Angriff eines hungrigen Wildschweins (das durch den vergifteten Kuchen stirbt), den Überfall einer Räuberbande (die wiederum durch das vergiftete Wildschwein sterben) und findet mit Galgenvogel (der sich vergeblich versucht hat, zu erhängen und Lasso befreit, weil er ein neues Seil braucht) einen treuen Begleiter. Und natürlich gewinnt er am Ende das Herz der Prinzessin.
Gegen die Erwachsenenwelt
Regisseurin Brigitte Dethier, gerade mit dem Deutschen Theaterpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, beweist ein feines Gespür für Situationskomik und große Chorarrangements. Da fallen einem schon beim ersten Heben des Vorhangs die Augen aus, wenn der Weinkeller von Mutter Popa sichtbar wird und aus dem Freeze heraus plötzlich das Gewusel von Chor und Soli beginnt. Links und rechts der Bühne sind Weinkisten gestapelt, hier säuft und krakeelt die Erwachsenenwelt gegen die Jugend an, verkörpert von Kindersolisten: Emil Vandersee als Lasso meistert mit seinen 12 Jahren die größte Partie, intoniert mit glockenhellem Knabensopran und gibt einen richtig coolen Lasso. Später dann trifft er auf die stolze, niemals lachende Prinzessin (Milla Luisa Dell‘ Anna), die in einem überbordenden Tüllkleid ihren Hofstaat dirigiert.

Der Kinderchor mit Milla Luisa Dell’Anna als Prinzessin Scharada. Foto: Nancy Jesse
Überhaupt sind die Kostüme von Carolin Mittler eine Augenweide. Ein Bild für die Götter ist es, wenn der Kinderchor in weißen Gewändern hereintrippelt und empört sich gebärdet, mit Hornbrillen und emporgestriegelten Perücken. Bis in die letzten Reihen sitzt jede Geste und jeder Einsatz (Einstudierung: Christian Lindhorst), auch, wenn der Jugendchor von hohen Seitenemporen aus Erwachsenenperspektive kommentiert: „Mensch, Dein Unglück ist Deine Welt dort unten.“
Große Nummernoper, aber kinderkompatibel
Detlev Glanerts Werk fährt kinderkompatibel mit allem auf, was große Nummernoper zu bieten hat: Ensembles, die furienhaften Arien etwa der Popa (überwältigend: Martina Baroni) oder von Frau Knochen (Alexandra Oomens), gesprochene Dialoge und ein durchkomponiertes Finale hin zum Untergang des Hofstaates. Im Graben sitzen Teile des Orchesters der Deutschen Oper Berlin zusammen mit dem Landesjugendorchester Berlin, was man unter der präzisen musikalischen Leitung von Dominic Limburg fast vergessen könnte. Da zeigt manches Profi-Orchester mehr Wackler im Blech!

Milla Luisa Dell‘ Anna (links: Prinzessin Scharada) und Philipp Jekal (rechts: König Zephalus). Foto: Nancy Jesse
Auch die übrigen Partien überzeugen in komödiantischen Szenen, die immer wieder für Lacher im Publikum sorgen: Wenn die vergifteten Räuber mit ihren Silbersäbeln nach hinten von der Bühne wegkippen, sich die beiden Hofminister Avernus (Byung Gil Kim) und Tartarus (Joel Allison) mit ihren Gewaltplänen brüsten und schonmal das Schafott hochziehen – oder wenn König Zephalus (Philipp Jekal) in roten Lackstiefeln herumstaksend vergeblich um Würde ringt. Absoluter Sympathieträger und Entdeckung des Abends ist der junge, amerikanische Tenor Chance Jonas-O’Toole als Lassos Freund Galgenvogel.
Tosender Applaus unter Anwesenheit des sichtlich gerührten Komponisten. Diese Inszenierung dürfte ein Dauerbrenner werden im reichen Musiktheaterleben der Hauptstadt.