Die Oper Köln im Staatenhaus

Die Oper Köln: Von Expertise und Leidenschaft

Intendant Hein Mulders hat seine erste Spielzeit an der Kölner Oper gemeistert – trotz extrem knapper Vorlaufzeit. Unsicher bleibt die Wiedereröffnung des Hauses am Offenbachplatz. Eine erste Bilanz.

Es war ein Überraschungscoup, als die Stadt Köln im April 2021 mitteilte, eine Findungskommission habe sich für den damals 58-jährigen Niederländer Hein Mulders als Nachfolger der noch amtierenden Intendantin Birgit Meyer ausgesprochen.

Intendant Hein Mulders

Intendant Hein Mulders. Foto: Felix Broede

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ließ zu der Entscheidung damals wissen, sie wünsche sich nach zehn Jahren Amtszeit eine „neue Handschrift“ für die Oper. Daraufhin war die Aufregung groß, neben Zustimmung für Mulders gab es auch Solidarität für Birgit Meyer, selbst die Deutschsprachige Opernkonferenz protestierte in einem offenen Brief und mahnte, dass in dieser Kürze kein anspruchsvoller Spielplan zu machen sei in einer Branche, in der mindestens drei Jahre Vorlauf üblich sind. Mulders räumte für seinen Amtsantritt 2022 vorzeitig seinen Posten als Doppelintendant von Aalto-Theater und Philharmonie in Essen.

Monumentale Eröffnung

Nun hat er seine erste Spielzeit in Köln fast hinter sich und empfängt in einem der Containerbauten, die im Innenhof des Staatenhauses provisorische Räume für Dramaturgie, Pressearbeit und Intendanz bieten. Im Januar hatte die Pressestelle bekannt gegeben, dass die Oper Köln seit Beginn der Spielzeit 2022/23 eine steigende Auslastung verzeichne, die aktuell über 90 Prozent betrage und sich somit deutlich absetze von der damals noch sehr angespannten Situation im postpandemischen Kulturbetrieb. Der positive Trend lässt sich erklären mit Mulders’ monumentaler Eröffnungsproduktion „Les Troyens“ von Hector Berlioz (unsere Premierenkritik finden Sie hier), Raritäten wie der delikaten Koproduktion „Miranda“ mit der Opéra Comique Paris oder dem Doppelabend „Der Zwerg/Petruschka“. Aber auch Wiederaufnahmen von „Turandot“ und „La Bohème“ erfreuten sich der Gunst des Publikums.

Trotzdem wirkt Hein Mulders zwar aufgeräumt, aber nicht tiefenentspannt. Denn da gibt es noch diesen Elefanten im Raum, der seit weit mehr als zehn Jahren den Diskurs über die Kölner Oper bestimmt: die Skandalgeschichte der Sanierung des Hauses am Offenbachplatz und das immer wieder verschobene Datum der Wiedereröffnung.

Wiedereröffnung mit Fragezeichen

Mulders ist nun vorsichtig zuversichtlich: „Ich habe gesagt, ich brauche jetzt eine echte Garantie. Trotzdem planen wir Tag und Nacht, dass es auch ein ,Worst Case‘ werden kann.“ Zur Erinnerung: Bereits 2015 sollte das Opernhaus am Offenbachplatz wieder eröffnen. Und es gab damals keinen Plan B, als klar wurde, dass das Haus doch nicht spielfähig war. „Das darf nicht wieder passieren! Es zeichnet sich ab, dass wir noch ein Jahr im Staatenhaus spielen, und in der Spielzeit 2024/25 soll es losgehen am Offenbachplatz.“

Seine erste Spielzeit ist für ihn optimal gelaufen, denn eigentlich, so gibt er zu, gehe das gar nicht, in so kurzer Zeit eine komplette Spielzeit zu planen. Wie viel Eigenes war schon in seiner ersten Spielzeit dabei? „Ich bin froh, dass Sie das fragen: Es stand eigentlich noch nichts, ich würde sagen, 90 Prozent des Spielplans sind von mir! Drei Titel waren zumindest angedacht, nämlich die von François-Xavier Roth, und es gab schon halbe Verabredungen mit den Regisseuren Benjamin Lazar für den ,Fliegenden Holländer‘ und Johannes Erath für ,Les Troyens‘.“ Die „Trojaner“ waren eigentlich geplant als angemessenes Eröffnungsstück für den Offenbachplatz, doch es kam anders, und nun war vor allem der gut vernetzte Casting-Direktor Mulders gefragt: „Gebt mir drei Wochen, ich bin per Expertise und Leidenschaft Casting-Direktor.“ Das Ergebnis war ein szenisch und stimmlich glaubwürdiges Liebespaar, das auch idiomatisch überzeugen konnte.

„Les Troyens“ in der Inszenierung von Johannes Erath

„Les Troyens“ in der Inszenierung von Johannes Erath. Foto: Matthias Jung

Melting Pot Köln

Im neuen Kölner Team hat Mulders alle Mitarbeiter übernommen. „Der Erfolg des Hauses ist die Expertise des Hauses. Man muss in Dialog treten und nicht jeden Tag das Rad neu erfinden. Ich habe auch alle Sänger:innen übernommen. Änderungen im Ensemble kommen jetzt organisch.“ Auch für Mulders kam der Anruf aus Köln vor zwei Jahren überraschend, eigentlich stand in Essen eine weitere fünfjährige Verlängerung an. Obwohl er am Rhein „nur“ eine Sparte verantwortet, habe das Tag-und-Nacht-Arbeiten noch immer nicht aufgehört, gibt er zu: „Die Tatsache, immer noch kein Theater zu haben, ist belastend. Die Probleme sind nicht plötzlich weg, das Bett war nicht gemacht, aber die positive Energie, etwas zu ändern, kommt von allen zurück!“ Mulders produziert derzeit im Staatenhaus immer mit Blick darauf, was am Offenbachplatz wieder aufgenommen werden kann. „Fast alles ist anpassbar.“ Die Zusammenarbeit mit François-Xavier Roth bezeichnet er als „stets ein Fest“ und hofft, dass Roth noch in den Genuss kommen wird, „ein Jahr gute akustische Verhältnisse am Offenbachplatz“ zu haben.

Vor seiner Essener Zeit war Mulders lange Zeit in Amsterdam tätig. Er sieht in Köln Parallelen: „Köln ist wie Amsterdam eine echte Großstadt, sehr lebenslustig. Es gibt auch viele Probleme hier, aber es ist eine Stadt, die unglaublich vibriert, die auch chaotisch ist. Köln hat viel Elan und eine große Offenheit, es ist ein Melting Pot, für mich eine nordrhein-westfälische Version von Amsterdam, mit dem gleichen Flair.“ Die Spielzeiten 2024/25 und 2025/26 stehen schon in größeren Linien – und 2026/27 geht Mulders mit seinem Team bereits an. „Ich meine, die laufende Saison haben wir wirklich rausgeknallt, es gab keine Zeit zum Nachdenken, das kann auch helfen. Aber es ist auch gut, einmal länger nachzudenken, auch, um sich selbst infrage zu stellen.“

Dieser Artikel ist erschienen im Augustheft 2023. Kritiken der DEUTSCHEN BÜHNE zu aktuellen Inszenierungen an der Oper Köln finden Sie hier.