Das Freie Werkstatt Theater in der Kölner Südstadt

Neue Eintrittspreisstruktur am Theater?

Ein Modellprojekt in Köln: Das Freie Werkstatt Theater (FWT) ändert für zwei Monate seine Eintrittspreisstruktur. Zahlte man bisher für fast alle Aufführungen 19 Euro (ermäßigt pauschal 12 Euro), wird es ab Januar – bei weiterhin freier Platzwahl – fünf Preisstufen geben, von 6 Euro („Ich bin dabei“) bis 30 Euro („Ich gebe etwas mehr“). Und die Besucher:innen werden selbst entscheiden, was sie bezahlen.

Guido Rademachers, Ko-Leiter des FWT, betont auf Nachfrage, dass die Ursache nicht schlechter Besuch seines Theaters sei. Hier stellt er in den letzten zwei Monaten eine deutliche Erholung fest. Zumal Inszenierungen mit klarer Themensetzung wären zurzeit sehr gut besucht, etwa Stücke mit feministischer Stoßrichtung von Alice Birch oder Nora Abdel-Maksoud. Dem FWT geht es in erster Linie darum, möglichst jedem einen Theaterbesuch zu ermöglichen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht barrierefrei zu sein. „Wir haben das Gefühl, dass zurzeit viele Menschen dazu gezwungen sind, zu rechnen.“ Und da wären selbst zehn Euro für eine Theaterkarte im Moment manchmal zuviel. Gerechtigkeit ist ein weiterer Aspekt (Rademachers: „Es gibt Student:innen mit viel Geld, es gibt viele Student:innen mit wenig Geld, einen Studentenausweis haben sie alle.“). Vor allem aber sieht das FWT dieses „solidarische Preissystem“ als wesentlichen Schritt in seiner Audience-Development-Strategie. Das Haus ist schlicht und ergreifend auf der Suche nach mehr, nach neuen (Stamm-)Zuschauer:innen. Und möchte für sein Programm aus zeitgenössischer, engagierter Dramatik und performativen Formaten vor allem ein jüngeres und diverseres Publikum gewinnen.

Für den ungewöhnlichen Schritt gibt es – mindestens – ein Vorbild. Das Theaterhaus G7 in Mannheim experimentiert seit 2019 mit einem ähnlichen Format. Man entscheidet selbst, ob man 5, 10, 15 oder 20 Euro für ein Ticket bezahlt. Laut Guido Rademachers hat das G7 mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht. Das Ergebnis seien gleichbleibende Einnahmen bei wahrnehmbar höherer Zuschauerzahl. Genau das strebt das FWT auch an. Warum ist dann die Maßnahme zunächst auf zwei Monate beschränkt? Zum einen, natürlich, weil das Theater auf seine Einnahmen angewiesen ist. Das Scheitern eines unbefristeten Experiments könnte existenzielle Folgen haben. Zum anderen steht das Haus eben nicht alleine da, sondern ist Teil einer lokalen Theaterszene. Welche Preise sollten etwa Besucherorganisationen wie die Kölner Theatergemeinde zukünftig für eine Vorstellung im FWT aufrufen? Und wird man mit der veränderten Preisstruktur möglicherweise anderen Kölner Theatern Publikum abspenstig machen? Guido Rademachers möchte das auf keinen Fall und sprach sich bei unserem Telefonat auch explizit gegen jede Form von Kulturdumping aus.

Bis Ende Februar wird das Haus in der Kölner Südstadt mit den Besucherorganisationen nach Lösungen suchen. Ob das Experiment weitergeht, wird in erster Linie davon abhängen, wie sich das Kölner Publikum verhält. Ein Erfolg des Modells könnte Signalwirkung haben, für Köln und anderswo. Und die Verantwortung, die dem Publikum durch die Preiswahl zugemutet wird, könnte, quasi nebenbei, Kommunikationskanäle öffnen und mittelfristig Künstler:innen und Besucher:innen näher zusammenführen. Das ist etwas, was dem Theater nicht nur guttun würde, sondern was es in der heutigen Zeit dringend benötigt.

Nicht nur deshalb werden wir diese Entwicklung in der Redaktion der DEUTSCHEN BÜHNE intensiv verfolgen.