Cover „Posthuman Journey Trilogie“ von Pat To Yan

Buch: „Posthuman Journey Trilogie“ von Pat To Yan

Eine Reise am Ende der Menschheit – so könnte der deutsche Titel dieser Dramenreihe des aus Hong Kong stammenden Dramatikers Pat To Yan lauten. In der „Posthuman Journey Trilogie” nimmt uns der Autor, der zwischen der chinesischen Autonomie-Zone und Deutschland lebt, mit auf eine Reise ins Innere des Mensch-Seins, eine Reise in die Zukunft, in der Mythen wieder eine große Bedeutung bekommen. Es sind spannende Geschichte voller überraschender Einfälle, zeitpolitischer Anspielungen und Science-Fiction-Motive.

Ein Mann aus der Zukunft ist in „Eine kurze Chronik des künftigen Chinas“ in einem unbenannten Land unterwegs. Alle sind auf der Flucht oder zumindest in Bewegung. Alle wandern von Nord nach Süd – nur der „Außenstehende“ reist mit einem Botenauftrag von Süd nach Nord. An die (Lebens)Reise dieses Mannes sind noch andere Schicksale geknüpft: Da ist eine Katze mit einem Loch im Bauch, die daran verzweifelt sich selbst zu spüren. Oder der „Mann, der Schmerz mitansieht“, der mit dem „Unheimlichen Mädchen“ verheiratet ist, der Lebenserinnerungen für Roboter geschrieben hat und dafür verfolgt wird, deswegen später als Richter eingesetzt wird und Antigone (beziehungsweise ihre Wiedergängerin) freispricht.

Metamorphose in der Zukunft

Nach diesem symbolistischen Stück wirkt „Die posthumane Geschichte“ fast schon klassisch – abgesehen von den vielen SF-Elementen: Ein Mann hat einen Job bekommen, den er (wir haben es 2020 kennengelernt) von zu Hause aus erledigen kann. Er steuert Drohnen in einem Krieg und zerstört ausgewählte Ziele. Als sein Kind ohne Po geboren wird, macht er sich auf den Weg ins Kriegsgebiet, um herauszufinden, womit er das verdient hat.

Entfernen wir uns mit „Überall im Universum Klang“ noch ein Stückchen weiter: Die Menschheit hat sich von der Erde entfernt und lebt im nächsten Sonnensystem auf einem Planeten, der von einem Schwarzen Loch verschlungen wird. Ein Mann lässt jedoch nicht so einfach los, sondern reist ans andere Ende der Singularität, wo der Planet komplett verändert wieder erscheint.

Zwischen Science-Fiction und surrealem Theater

Menschen, die kluge Science-Fiction mögen, werden diese Texte lieben. Hier gibt es keine Weltraumschlachten oder Lasergefechte, aber ganz nebenbei werden zentrale Frage der Science-Fiction gestreift: Ein Mann wird gejagt, weil er sich Erinnerungen für Roboter ausgedacht und die Androiden davon nichts mehr wissen wollen. Kinder können im Mutterleib noch verbessert werden – und drohen so ihre Individualität zu verlieren. Und was bleibt von mir, wenn jede Zelle meines Körpers ausgetauscht wird?

Gleichzeitig scheinen diese Geschichten gar nicht so weit weg von uns zu sein: Wenn da jemand warnt, dass die Regierung Regenschirme als schlimme Waffen ansieht, dann ist das ein Verweis auf die Proteste in Hong Kong. Und auch wenn Krieg in Eine Mitte ohne Ende herrscht und Umerziehungslager bombardiert werden, denken vielleicht viele an die Volksrepublik China.

Auch das könnte für das Publikum in Deutschland zu weit weg erscheinen, doch gerade weil alles so abstrakt ist, geht es um den Kern des Menschseins. Einige Figuren tauchen immer wieder auf: Zum Beispiel ist da eine Katze mit einem Loch im Bauch. Am Anfang scheint sie eine Abstrusität zu sein, die den Schmerz sucht, um das Leben zu fühlen. Doch später offenbart sie sich als Entität, die aufpassen muss, dass sie nicht aus Versehen die Geheimnisse des Universums entschlüsselt – weil sonst alle Katzen aussterben würden.

Stücke über die Suche nach Wahrheit

Diese mysteriösen Figuren scheinen einen überzeitlichen Kampf von Gut und Böse auszufechten. Allerdings wirkt es nicht ganz so simpel, wie es klingt. Denn der Kampf wird auch ausgetragen zwischen denjenigen, die das Universum so umgestalten wollen, wie es ihnen gerade passt, und den anderen, die darunter leiden müssen.

Natürlich muss man sich auf solche Art Geschichten und Texte einlassen wollen. Hinnehmen, dass eine Katze mit einem Loch im Bauch quer durch die Zeit zu reisen vermag und dass die Ansammlung gequälter Seelen mit anderen Figuren spricht, als wäre sie eine Person. Deswegen lässt sich dieses surrealistische Drama allerdings gut lesen. Im Grunde beobachten wir eine Reise durch Raum und Zeit, alles andere passiert in der Sprache, in überschaubaren Dialogen. Selbst wenn Gut und Böse in Personifikation gegeneinander kämpfen, wird das von einem Sprechtext aufgebrochen.

Wenn die Katze mit dem Loch im Bauch also wieder wie ein Deus* ex machina in das Geschehen eingreift und dabei hofft, nicht zu viel vom Geheimnis des Universums entschlüsselt zu haben, weil sie sonst alle Katzen zum Tod verurteilt, klingt das, als wäre es wirklich ein Gesetz. Darin liegt die Stärke dieses Bandes: Alles wirkt gleichzeitig absurd und richtig. So stellen auch wir uns die Frage, was Wahrheit ist. Es gibt kaum eine edlere Frage, die die Kunst stellen kann, und wir alle (nicht nur in einer Welt, die von einer solchen Volksrepublik China bestimmt wird) sollten uns mit diesem Problem auseinandersetzen.

Pat To Yan: Posthuman Journey Trilogie, aus dem Englischen von John Birke und Ulrike Syha, Suhrkamp, 3. April 2023, 298 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-518-43121-4