Status Quote. Theater im Umbruch

Buch: Status Quote. Theater im Umbruch

Der Sammelband „Status Quote. Theater im Umbruch“ bietet einen differenzierten Beitrag zur Debatte über die Einführung der Frauenquote beim Berliner Theatertreffen.

„Die Karriere jeder einzelnen Frau, die auf den folgenden Seiten zu Wort kommt, hat enormen Kampfgeist gefordert.“ Dieser Satz im Vorwort des neuen Sammel-Debattenbands „Status Quote. Theater im Umbruch“, herausgegeben von Sabine Leucht, Petra Paterno und Katrin Ullmann, fasst im Grunde den aktuellen Stand der Emanzipation in der Theaterwelt zusammen. Die Journalistinnen haben alle drei einst der Jury des Theatertreffens gedient. Anhand von Rückblicken, Kurzporträts und Interviews resümieren sie nun, was sich durch die Einführung der TT-Quote verändert hat – aber auch, was nicht: Dass sich in Sachen strukturelle Diskriminierung noch viel tun muss, belegen die versammelten Stimmen ebenfalls und das mitunter auf äußerst ernüchternde Weise. Dass die patriarchialen Strukturen nicht nur die Arbeit der Theaterschaffenden geprägt haben, sondern auch uns Kritiker:innen, macht es nicht besser.

Zu Wort kommen die langjährige Leiterin des Theatertreffens, Yvonne Büdenhölzer, die die Quote einst initiierte und verantwortete, die Kritikerin Eva Behrendt (ebenfalls Ex-Jurymitglied), sowie die 19 Regisseurinnen, die seit der Quote (2020 bis 2023) eingeladen waren und auch über die aktuellen Produktionsbedingungen im Theateralltag berichten, plus einige weitere weibliche Theaterschaffende. Gerade die Vielheit der befürwortenden, aber auch kritischen Stimmen, die das Buch versammelt, macht die Qualität dieses Sammelbandes aus. Über den Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung am Theater mag Einigkeit herrschen. Trotzdem sind die Ansichten all der jüngeren und älteren Frauen zur Quote durchaus differenziert. Hier wird nichts beschönigt, aber – bei aller politischen Brisanz des Themas, das immer wieder besonders intensiv debattiert wird – auch nichts pathologisiert. Der Impetus des Buches mag ein feministischer sein, am Ende aber stehen und sprechen die Aussagen der Befragten für sich. Sie zu lesen, lohnt sich:

„Seit Jahrhunderten prägt eine informelle Männerquote die Kunstwelt. (…) Es wäre vermessen zu glauben, dass die Quote beim Theatertreffen den Theaterbetrieb geschlechtergerechter machen könnte, auch wenn es Personen gab, die ihr tatsächlich so viel Relevanz zugeschrieben haben. Aber die vielfältigen Diskussionen, die meine Quotensetzung auslöste, freuen mich ungemein.“
Yvonne Büdenhölzer

„Auch meine Sehgewohnheiten als Kritikerin sind (…) zweifellos patriarchial geprägt.“
Eva Behrendt

„Ich werde in Interviews immer wieder gefragt, ob ich Diskriminierung erlebt habt. Natürlich, wie denn auch nicht? Aber die Diskriminierung war diffus, nicht leicht nachweisbar. Die Kunst liegt darin, zu unterscheiden, wann ist etwas wirklich diskrimierend – und wann geht es um die Sache. Manchmal bleibt man nicht auf der Strecke, weil man eine Frau ist, mitunter überzeugt einfach die Arbeit nicht.“
Claudia Bauer

„Man erfährt als Frau am Theater mehrmals am Tag Sexismus.“
Pınar Karabulut

„Dass ich als Frau mehr powern muss und der Weg holpriger ist, war für mich selbstverständlich. Manchmal schäme ich mich heute dafür, wie viel ich damals einfach akzeptiert habe.“
Karin Henkel

„In der freien Wirtschaft halte ich die Frauenquote für sinnvoll. Im Fall des Theatertreffens aber finde ich die Quote das falsche Instrument.“
Karin Beier

„Die Gender Pay Gap ist unsäglich. Auch ich wurde über den Tisch gezogen, jahrelang.“
Barbara Frey

„Was mir an radikalfeministischen Ansätzen nicht gefällt, ist, dass nur Frauen als Oper und Männer als Täter und Vollstrecker gesellschaftlicher Zwänge dastehen. So funktioniert das aber nicht. Männer und Frauen sind Opfer desselben Systems, das sie gemeinsam aufrecht erhalten. Auch wir Frauen waren viele Jahre lang der Meinung, dass nur ältere Männer Intendanten sein können, weil sie uns quasi von Natur aus klug und erfahren scheinen.“
Ewelina Marciniak

„Dieses Märchen, es gebe ja gar keine Regisseurinnen, ist endlich vorbei.“
Lucia Bihler

STATUS QUOTE – Theater im Umbruch: Regisseurinnen im Gespräch. Sabine Leucht (Hrsg.), Petra Paterno (Hrsg.), Katrin Ullmann (Hrsg.), Henschel Verlag, 224 Seiten, 18,00 €

Im Juli-Heft der Deutschen Bühne widmen wir dem Thema „Emanzipation und Theater“ einen Schwerpunkt!