DER FAUST extra: Populisten, ihre Verführungsstrategien und die Kultur
Foto: Von links nach rechts: Hannah Schmidt, Gernot Wolfram, Malin Nagel, Viktor Schoner © mowuestenhagen Text:Detlev Baur, am 15. November 2025
Bevor am Abend die Auszeichnungen für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST im Theaterhaus Stuttgart vergeben werden, fand am Nachmittag eine Diskussionsveranstaltung im Theaterhaus statt. Auf dem von Hannah Schmidt moderierten Podium diskutierten Gernot Wolfram, Professor für Medien- und Kulturmanagement und Autor des Buchs „Kampfzone Kultur“, die Dramaturgin und Leiterin der ITI Academy für junge Kulturschaffende am Internationalen Theaterinstitut Malin Nagel und der Stuttgarter Opernintendant Viktor Schoner über „Populisten und ihre Verführungsstrategien“. Der Runde gelang es das nicht unbedingt erfreuliche Thema klar und zugleich differenziert zu entwickeln – und dabei Vorfreude auf den Abend zu wecken.
Kampfzone Kultur
„Was passiert hier gerade? fragte Hannah Schmidt mit Verweis auf die täglichen Nachrichten vom Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Regierungen in den USA, Europa und Deutschland zum Einstieg. Und konkretisierte: „Was haben Spielfelder der Kultur damit zu tun?“ Der Kultur- und Medienexperte Gernot Wolfram und Autor von „Kampfzone Kultur“ betonte zunächst, dass die AfD und andere rechtspopulistische Kräfte viel stärker als die etablierten Parteien an Kultur interessiert sind. Wie Staubsauger – und mit Hilfe von KI – saugten Vordenker und Medienprofis von rechts Konzepte und Ideen von Goethe bis Tiktok auf und komponierten daraus einen „popkulturellen Faschismus“. Aus der in Smartphone-Zeiten verstärkten Vereinsamung besonders junger Menschen werde so ein Hoffnung vermittelndes Angebot komponiert.
Die Dramaturgin und Leiterin der ITI-Akademie Malin Nagel beschrieb hingegen aus Ihrer Arbeit, wie behutsam organisierte Treffen von Menschen unterschiedlichster Herkunft zu einer Weitung und Öffnung der Perspektiven führen kann. Eine differenzierte internationale Vernetzung – weltweite Kontakte pflegt ja auch die AfD – kann also durchaus ein Gegenmittel sein. Stuttgarts Opernintendant Viktor Schoner wies einleitend daraufhin, dass das Stuttgarter Opernhaus nach wie vor der größte innerstädtische Versammlungsraum sei und somit auch ein Ort im Kampf gegen Einsamkeit. Und er konnte anhand der gerade abgespielten umstrittenen Opernproduktion „Sancta“ von Florentina Holzinger über die medialen Abläufe eines Shitstorms berichten. Der Dialog mit dem Publikum sei gut und intensiv verlaufen, auch der inhaltliche Streit mit der Kirche vor Ort auf einem demokratischen Konsens ausgetragen; die Kommunikation nach innen ins Haus sei eine nicht zu unterhätzende Aufgabe. Und der mediale Krawall werde von Menschen – oder Maschinen ? – betrieben, die oft die Inszenierung gar nicht gesehen hätten.
Mut und Selbstbewusstsein
Es blieb im anderthalbstündigen Vierergespräch als große Frage im Raum, wie Demokratie und Toleranz als attraktive Erzählungen gegenüber einfachen Antworten gestärkt werden können. Wie passen Pathos und Demokratie zusammen? Aus dem Publikum appellierte der ehemalige Intendant und Bühnenvereinspräsident Ulrich Khuon für den selbstbewussten Glauben der Theatermacher:innen an sich selbst. Und der amtierende Präsident und Hamburger Kultursenator Carsten Brosda verwies auf einen Artikel in der Zeit, der zeige, dass nicht Angst, sondern nur Mut im Kampf gegen Rechtspopulismus Erfolg verspreche. Allerdings fehle es derzeit der Politik insgesamt, keineswegs nur der Kulturpolitik, an positiven Zukunftsentwürfen.
Gernot Wolfram wies daraufhin, dass die an diesem Abend beim Deutschen Theaterpreis DER FAUST geehrten Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken aus guten Gründen Quelle für das Selbstbewusstsein der Kulturbranche sein sollten. In diesem Sinne: Vorhang auf für die 20. FAUST-Gala an diesem 15. November 2025 – ab 20 Uhr im Live-Stream.