Das Ensemble tanz in einer V-Konstellation. In der Mitte tanzt eine wie Josephine Baker angezogene Person.

Aushalten von Widersprüchen

La Fleur: Josephine Baker

Theater:Theater Freiburg, Premiere:07.11.2025 (UA)Regie:Monika GintersdorferMusikalische Leitung:Timor Litzenberger, Vetcho Lolas

Am Theater Freiburg bringt Monika Gintersdorfer gemeinsam mit der Tanz- und Theatergruppe „La Fleur“ das Leben der Josephine Baker auf die Bühne. Eine Inszenierung, die viel Raum für Selbstreflexion gibt und dazu auffordert, sich auch mit der eigenen Position als erneutes Publikum von „Josephine Baker“ auseinanderzusetzen.

An der Biografie von Josephine Baker (1906–1975) fällt auf, wie sehr sich Privates mit Politischem vermischt. Das ist ein Stoff, wie für Monika Gintersdorfer und die Gruppe „La Fleur“ geschaffen. Im Tanztheater-Biopic – eigentlich ein filmisches Genre – „Josephine Baker“ entwickelt Gintershofer am Theater Freiburg „eine schillernde Bühnenshow zwischen Tanz, Freiheitskampf und Bling-Bling“.

Die wichtigsten Stationen von Josephine Baker werden erzählt und nicht ausgespielt. Ihre Kindheit in St. Louis, das Erlebnis des Massakers gegen die Schwarzen 1917 in ihrem Heimatort, werden Französisch referiert. Wobei vor allen Dingen Matthieu Svetchine als Live-Dolmetscher auf der Bühne agiert. Baker muss zunächst für die Weißen arbeiten. Aber sie geht in Bars und beobachtet, wie sich zu dem neuen Jazz neue Tanzstile entwickeln. Sie geht nach New York und dann nach Paris, wo ihre internationale Karriere beginnt. Einerseits gefeiert und andererseits dämonisiert als „Schwarzer Teufel“ – in Wien ließ man die Glocken gegen sie läuten – steigerte ihren Erfolg. Wobei sie oft als „exotische Wilde“ abgestempelt wurde. Dass Baker im Zweiten Weltkrieg in die Résistance ging und die Streitkräfte des Freien Frankreichs unterstützte, ist in ihrer politischen Weltsicht konsequent.

Tiefe Verletzungen

In den Memoirenbüchern der Baker werden ihre Verletzungen durch den Rassismus in den USA sehr deutlich, ihre Wut, aber auch ihre Konsequenz, nur noch vor einem gemischten, einem Schwarz-Weißen Publikum aufzutreten. Das ist das Thema für Monika Gintersdorfer, zumal Rassismus und Antisemitismus in unserer heutigen Gesellschaft eine immer stärkere Rolle einnehmen. Die Verletzungen, die Baker erleben musste, spiegeln sich in den Erfahrungen der ivorischen Tänzer:innen. Wie bei vielen ihrer Produktionen mischt sie auch hier historische Biografie mit denen ihrer Mitwirkenden.

Das Licht im Zuschauerraum wird hochgefahren, um zu überprüfen, wie viele Schwarze im Publikum sitzen. Nur wenige. Daraus resultiert die Forderung, dass 20 % des Publikums Schwarz sein sollen. Der ungeheure Widerspruch, dass man als Schwarze vor einem Weißen Publikum auftritt, prägt nicht nur das Problem der Josephine Baker, sondern auch diese Aufführung, die von ivorischen Darsteller:innen getragen wird. Matthieu Svetchine und Andy Zondag übersetzen ihre Kollegen charmant: Sie führen vor, was Zuhören und Verstehen bedeutet.

Zwischen Aktivismus und Revue

Am Anfang ist ein Chanson von Baker original über die Band zu hören. Alle anderen Musiknummern, von Timor Litzenberger, der live das Ensemble begleitet, und Vetcho Lolas arrangiert, werden vom Ensemble gesungen und getanzt. Insbesondere Annick Choco und Savina Vitalina schieben sich mit ihren Verkörperungen der Baker in den Vordergrund. Mitreißend, wie sie das Publikum begeistern. Aber auch Gadoukou la Star und Ordinateur haben in ihren Musik- und Tanznummern einen prägnanten Rhythmus und Drive.

Mukenge/Schellhammer haben einen einfachen Spielraum geschaffen, einen Bühnenboden mit Punkten und schwarzen Linien. Manchmal flimmern im Hintergrund in den Videos von Viktor Sabelfel abstrakte Chiffren. In den Kostümen von Hools of Fashion agiert ein Ensemble mit starker Power. Wobei „Josephine Baker“ bei allem politischen Anspruch – Svetchine trägt eine Krawatte mit der Aufschrift „Antifaschist“ – denn doch eher zur Nummernrevue neigt. Sie produziert damit den Widerspruch, den die Künstlerin selbst aushalten musste: zwischen dem Kampf an der Seite von Martin Luther King gegen den Rassismus und dem Arbeiten in der Unterhaltungsindustrie des Exotismus.