Foto: Cuba und Fanny sitzen mit Staubsauger-Roboter Volker in der WG-Küche. © Ronny Ristok
Text:Tobias Prüwer, am 20. September 2025
Lena Rucker und Nils Corte inszenieren am Theater Altenburg Gera ihr eigenes Stück „Ich hasse Menschen“. Darin haben die Maschinen die Überhand gewonnen, lassen Menschen für sich arbeiten, weil es kostengünstiger ist. Diese düstere Zukunft bringt das Regie-Duo mit viel Witz und Skurrilität auf die Bühne.
Erzählen sich Maschinen einen Witz: „Warum sind die Menschen noch nicht ausgestorben? Weil die Evolution Humor hat.“ Saugroboter, Kühlschrank und Router lachen laut. Irgendwann in der Zukunft ist nicht mehr zu entscheiden, ob künstliche Intelligenzen die Weltgeschicke bereits übernommen haben oder kurz davor stehen. Oder ringen die technologischen Apparate gar miteinander um die Herrschaft? „Ich hasse Menschen“ wirft das Publikum mitten hinein in eine dystopische Geschichte. Auf mehreren Ebenen wird diese „Postdigitale Tragikkomödie“ erzählt und fragt nach dem Menschen im Spiegel seiner Maschinen. Irgendwie, denn eigentlich ist die Produktion eine große Scharade.
Austragungsort des planetaren Wettkampfs ist ein WG-Wohnzimmer, besser: eine Wohnlandschaft in Pink. Die Couch bewacht ein intelligenter Router, der Kühlschrank hat ebenfalls ein digitales Eigenleben. Hausherr ist der hyperschlaue Saugroboter Volker, der gerade Hauptmieter geworden ist. Seiner Mitbewohnerin Cuba verpasst er eine neue Mitmieterin, mit der diese gar nicht einverstanden ist.
Cuba schrubbt als Fahrradkurierin einen Elfstundenjob; Menschen sind billiger als Maschinen, weil sie sich selbst warten. Zuhause will sie allein sein, betäubt sich mit Bier, wenn der Kühlschrank das zulässt – oder kifft. Die Neue, Fanny, soll das WG-Chaos richten, entpuppt sich aber bald als Agentin, die einer Hackergruppe auf der Spur ist. Und weil das noch nicht Krimi genug ist, wird der bunten Truppe irgendwann klar, dass sie unfreiwillig als Teil einer Big-Brother-Show fungiert, der Millionen zuschauen.
Der Mensch im Spiegel seiner Maschinen
Dazwischen werden auf einem Screen Szenen eingeblendet, die zeigen, wie Volker wurde, was er ist. In Las Vegas ist der Automat ohne Arme zu Geld gekommen, besitzt ein gigantisches Vermögen. Wofür er es einsetzt, was sich an Wendungen noch ereignet, soll an dieser Stelle nicht weiter verraten werden. Das Autorenduo Lena Rucker und Nils Corte hatte offensichtlich allerhand Spaß, die abgedrehte Science-Fiction-Story zu erfinden. Und das gleich selbst auf die Bühne zu bringen. Wortspiele zünden, die Crew ist mit voller Sache dabei.
Als Manu gefällt Billie Barleben, die sie wie eine gelangweilte Göre darstellt, wenn da nicht immer mal das listige Funkeln in den Augen wäre. Ihre Fanny entwirft Marie-Luis Kießling als nervig-gutgelaunte Supernanny. Und dann sind da natürlich die Maschinen. Volker fährt unablässig durch den Raum und spuckt großspurige Töne, die anderen Technik-Entitäten witzeln. Jonas Fürstenau, der Volker spielt und steuert, hat kürzere Auftritte als LKW-Fahrer Klaus und der Weihnachtsmann. In einer Szene brilliert er, indem er einen defekten Androiden mimt. Skurrile Verrenkungen vollführt er dabei und reimt mit Sprachstörungen allerlei Unsinn zusammen.
Aus Nähe zur Technik
Hauptgewinn ist die Bühne mit großem Screen (Ausstattung: Yvonne Schäfer). Kommentare des fiktiven Live-Publikums laufen darüber. Manchmal sind Szenen aus virtuellen Realitäten eingespielt, wie Videospiele übers Bergsteigen und Angeln. Die werden auch auf die ganze Bühnenlandschaft projiziert, sodass bunte Kaleidoskope entstehen. Das ist visuell ansprechend.
Das Timing stimmt, auch der Maschinenpark hat keinen Aussetzer. Nur Volker verspricht sich ein paar Mal, was das Image der Superintelligenz ankratzt. In einigen Momenten gewinnt die Inszenierung Tiefe, wenn es um die Frage geht, wie abhängig der Mensch eigentlich ist von der Technik. Warum streamt er lieber, statt die Klimakatastrophe abzuwenden? Dann steigt die Geschichte wieder in den Nonsens hinab und zeigt sich als gut gemachte Unterhaltung.
Mit Leichtigkeit geht das den Darstellenden von der Hand. Nur, dass sie auf kleiner Bühne über Mikrofone sprechen, nervt anfangs, bis es sich weghört. Die quietschige Inszenierung manövriert sich durch alle Turbulenzen. Sie mischt die Widersprüche der Technikaffinität mit leiser Kapitalismuskritik, drückt aber nichts moralinsauer aufs Auge. Sondern setzt lieber auf den nächsten Lacher und die nächste überdrehte Szene.