Szene mit Homan Wesa (Bote), Gulab Jan Bamik (Karl VII.), Thais Lamothe (Jeanne d'Arc), Ahmad Nasir Formuli (Agnes Sorel), Céline Martin-Sisteron (JEanne d'Arc), Sulaiman Sohrab Salem (Dunois), Hadar Dimand (Jeanne d'Arc) und Said Edris Fakhri (Du Chatel)

Zwischen Pathos und Poesie

Robert Schuster / Julie Paucker: Malalai – die afghanische Jungfrau von Orléans

Theater:Kunstfest Weimar, Premiere:25.08.2017 (UA)Regie:Robert Schuster

Ein transnationales Theaterprojekt von Robert Schuster und Julie Paucker: „Malalai – die afghanische Jungfrau von Orléans“ am Nationaltheater Weimar

Bomben krachen, harte Schläge auf Metallwände hallen durch den Raum. Männer in langen, weißen Röcken bewegen die Arme in Rhythmus der Schläge, eine Frau geht zwischen ihnen hindurch, wird gestoßen, fällt. Damit herrscht im Weimarer ewerk vom ersten Moment an eine Atmosphäre von Krieg, Gewalt, Kampf – und das ist längst nicht nur eine historische Reminiszenz. Und die Frau bleibt nicht lange allein, denn sie, Jeanne d’Arc, wird von drei Schauspielerinnen (Hadar Dimand, Thais Lamothe, Céline Martin-Sisteron) verkörpert, nicht das einzig Ungewöhnliche an diesem „transnationalen Theaterprojekt“ von Robert Schuster (Inszenierung) und Julie Paucker (Text). Die Schauspieldramaturgin am DNT hat für diese Koproduktion von Nationaltheater und Kunstfest neben Schillers Drama auch Texte von Anouilh, Brecht und Kha Hak verwendet, gesprochen wird deutsch, französisch, persisch und hebräisch, deutsch übertitelt. Der Text verwebt so das deutsche Drama und die französische Legende mit dem afghanischen Mythos der paschtunischen Sanitäterin Malalai, die im Unabhängigkeitskrieg der Afghanen gegen die britische Kolonialmacht 1880 ihren Schleier zur Fahne machte und die Soldaten zum Sieg führte. Und die Bezüge und Parallelen zum heutigen Afghanistan werden fast überdeutlich aufgezeigt, nicht nur, wenn Johanna von der „Schmach fremder Ketten“ spricht oder vom „Joch der Besatzung“ die Rede ist. Auch an den Taliban-Anschlag auf das AZDAR Theater in Kabul wird erinnert, das seitdem in Afghanistan nicht mehr spielen kann.

Das war schon ein Thema beim Vorjahresprojekt „Kula – nach Europa“. Doch damals verweigerte die deutsche Botschaft in Kabul den afghanischen Schauspielern die Visa, man befürchtete wohl, sie würden nicht zurückkehren. Denn den Behörden gilt Afghanistan als „sicheres Herkunftsland“, obwohl die Nachrichten ein anderes Bild zeigen. Auch in diesem Jahr gab es Probleme; erst als fünf Bürger aus Weimar und Umland für den Fall eines Asylantrages für die Kosten des Verfahrens und des Lebensunterhaltes bürgten, wurden die Visa erteilt. „Das macht einen Kulturaustausch schwierig, das Problem ist bis heute nicht zufriedenstellend gelöst“, so Kunstfest-Leiter Christian Holtzhauer. Die Frauen der Mimen aber mussten zu Hause bleiben, das sollte wohl den „Rückkehrwillen“ ihrer Männer stärken. Auch das wird in der Inszenierung thematisiert, die mit vielfältigen Brechungen arbeitet. Alle Männer sind in lange, weiße Röcke wie in Uniformen gekleidet; sie spielen aber auch Frauenrollen: Etwa, wenn Jeanne verheiratet, also versorgt werden soll, sind sie die scheuen Bräute. Den Dauphin gibt verschleiert Gulab Jan Bamik, Romaric Séguin tritt als Mutter des Königs in grauem Rock und Stahlhelm auf. Und wenn die drei Johannas von sich sagen, sie seien „die Frau“, „das Volk“, „die Nation“, sind auch die Stichworte genannt, um die sich die drei Stunden drehen. Und über allem steht die unausgesprochene Frage „Darf Frau das?“

Dabei schwankt die Inszenierung Robert Schusters zwischen wilder Rennerei mit Fahne und strengem Kampfsportritual, zwischen, Pathos, Poesie und gut gemeinten Sätzen wie „wenn nichts mehr zu hoffen ist, dann ist alles zu hoffen“ hin und her. Zwischendurch wird auch mal Theater-im-Theater gespielt, bricht Marcus Horn den Ernst eines Kampfes mit Johanna mit einem ironischen „Bin ich Dir teuer?“, Johannas Vater (Sèguin) schimpft über „Multikulturalität“, sie selbst „gegen den Verkauf auf globalen Märkten“, der französische Rechte Le Pen kommt auch vor, Hadar Dimand bringt in hebräischer Sprache Buchenwald, Auschwitz und „die neue Liebe zur deutschen Hauptstadt“ ein.

Da ist fast schon zuviel hineingepackt in dieses Stück. Und des langen, flammenden, politischen Aufrufs für ein anderes Afghanistan am Ende des Abends hätte es gar nicht bedurft, die Parallelen waren auch so unüberhörbar.