"Der Mann in der Badewanne oder wie man ein Held wird" als Deutsche Erstaufführung an der Komödie Winterhuder Fährhaus

Zum Aussterben verdammt

Lukas Linder: Der Mann in der Badewanne oder wie man ein Held wird

Theater:Komödie Winterhuder Fährhaus, Premiere:26.08.2014 (DE)Regie:Ayla Yeginer

Komödie Winterhuder Fährhaus, Hamburg, Lukas Linder, Ayla Yeginer, Dagmar Ellen Fischer, Die Deutsche Bühne

Als „zufrieden, aber nicht selbstzufrieden“ wird der kleine Büroangestellte Albert Wegelin vom Erzähler beim Publikum eingeführt. Das ist die beschönigende Beschreibung eines ewigen Ja-Sagers, der versucht, stromlinienförmig durchs Leben zu manövrieren. Dabei merkt er nicht, dass es genau diese Geschmeidigkeit ist, mit der er überall aneckt. Es scheint wie ein Fluch: Je verständnisvoller und entgegenkommender Wegelin agiert, desto ungehaltener und aggressiver reagiert sein Umfeld. Seine temporäre Appetitlosigkeit deutet ein ehrgeiziger Kollege als Hungerstreik und verwendet sie gegen ihn: Dem Leisetreter wird gekündigt, vermutlich, weil man Wegelin ohnehin loswerden will. Eigentlich liegt ihm nichts ferner als jene unterstellte Aufsässigkeit, da man aber offenbar genau die von ihm erwartet, fügt er sich gewohnheitsgemäß: Was man von ihm will, liefert er, und sei es ein Hungerstreik. Und ist erneut erstaunt, als er wiederum falsch verstanden wird: Das Verweigern der Nahrungsaufnahme benutzt die örtliche Presse, um aus Wegelin einen Helden zu machen, der sich gegen die ungerechte Kündigung auflehnt und den Kampf gegen einen übermächtigen Konzern aufnimmt. Gekämpft wird indes von der Badewanne aus, die der geschwächte Mann bald nicht mehr verlassen kann. Dort besuchen ihn Eltern, Freundin und Sensationsreporter; alle feuern ihn mit schlecht gemeinten Allgemeinplätzen zum Fortsetzen des Hungerns an – bevor sie zum Italiener um die Ecke lecker essen gehen.

Die absurd-komische Farce „Der Mann in der Badewanne“ ist randvoll mit solcher Art Boshaftigkeiten, sprachlich gekonnt gesetzt vom jungen Schweizer Autor Lukas Linder. Der Steilvorlage setzt die ebenfalls junge Regisseurin Ayla Yeginer in ihrer zweiten Inszenierung am Winterhuder Fährhaus noch einen drauf, indem sie die Figurenzeichnung ins Lächerliche überzieht. In deren Zentrum steht und fällt Philipp Weggler, der sich die Rolle des Antihelden Albert Wegelin einverleibt, als sei er ein Teil von ihm (und nicht nur seines Nachnamens). Nicht alle Schauspieler eignen sich für eine Komödie dieser Art, die zwischen betulicher (Schweizer) Entschleunigung und rasantem Gag-Feuerwerk zu wechseln versteht und gerade deshalb nicht an der Oberfläche bleibt. Wird zu Beginn der Protagonist als Weichei ausgestellt, der sich den berechtigten Zorn seiner unmittelbaren Umgebung zuzieht, so wechselt die Perspektive im Verlauf des Abends und fragt provozierend naiv, wieso Eigenschaften wie Sanftmut und Nachgiebigkeit in der Businesswelt zum Aussterben verdammt sind. Hier haben sich in Regisseurin und Autor zwei Übertreibungsspezialisten gefunden, die mit der deutschen Erstaufführung vom „Mann in der Badewanne“ das Hamburger Publikum begeisterten.