K. telefoniert mit dem Schloss. Eine Szene mit Moritz Grove und weiteren Ensemblemitgliedern aus "Das Schloss".

VerSchlossen

Franz Kafka: Das Schloss

Theater:Ruhrtriennale, Jahrhunderthalle, Premiere:23.09.2011 (UA)Regie:Nurkan Erpulat

K. meint als Landvermesser zum Schloss berufen worden zu sein. Nach anfänglichem Zögern wird das auch von allen Dorfbewohnern akzeptiert, aber Näheres zu erfahren, geschweige denn einmal ins Schloss zu gelangen, erweist sich in Franz Kafkas Romanfragment als unmöglich. Kafkas Werk ist einerseits ungemein zeitgemäß, da die bürokratischen Verwicklungen und Ratlosigkeiten selbst erfahrener Beamter über den Gang der Dinge uns angesichts von abstrakter und doch wirksamer Globalisierung, undurchschaubarem Internet und hilfloser Stadtverwaltungen wohl bekannt vorkommen. Andererseits kann einem die überdeutliche Figurenzeichnung Kafkas gerade angesichts einer komplexen Wirklichkeit leicht auf die Nerven gehen. Jens Hillje und Nurkan Erpulat, die im letzten Jahr erfolgreich den Film „Verrücktes Blut“ zum packend-zeitnahen Bildungs- und Immigrationsdrama machten, interessiert an Kafkas Romanversuch jedoch primär die Situation des Außenseiters K. In der Produktion des Deutschen Theaters, die erstmals bei der Ruhrtriennale zu sehen ist, wird der Außenseiter bereits vor Beginn des eigentlichen Romanspiels ausfindig gemacht, und auf verschiedene Arten, bis hin zur Bewunderung an den Rand der sechsköpfigen Gruppe gedrängt. Moritz Grove als K. schafft es überzeugend, als intellektuell und auch elitär wirkender Fremder die Figur tatsächlich ins Zentrum des Spiels zu rücken, obwohl er durch das weitgehend dialogische Spiel nicht mehr die Perspektive für den Zuschauer zentral prägt, wogegen in Kafkas Text ja alles aus K.’s Schatten heraus erzählt wird.

Je weiter die Handlung fortschreitet, umso weniger passen Textvorlage und Anliegen der Inszenierung aber zusammen. Ein erbaulicher Kinderchor deutet nur einmal die ungreifbare Aura der Schlosswelt dar, ist ansonsten aber mehr akustisch schmückendes Beiwerk. Das Spiel der Erpulat erfahrenen Seseke Terziyan wirkt bei aller Könnerschaft pathetisch übertrieben. Letztlich findet das häufig zwischen zuweilen heruntergelassenen Glaswänden (Bühne: Magda Willi) oder im rieselnden Theaterschnee ablaufende Spiel trotz beeindruckender Darsteller nicht das rechte Verhältnis zur Textvorlage, die es packend deuten will, sich aber dann doch nah an deren Ablauf hält. So bleibt ähnlich wie bei der Leipziger Filmadaption der Verdacht, dass Romane oder Filme auf der Bühne eine deutliche Reibung mit ihren Vorlagen erfordern. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie zu, gut erträglichem, aber wenig ergreifendem Handlungstheater werden.