Foto: Ensemble der Badischen Landesbühne Bruchsal in "Die Empörten" © Peter Empl
Text:Björn Hayer, am 21. November 2021
Ein Auto rast in eine Menschenmenge. Neben dem Fahrer stirbt ein Muslim. Dass der Attentäter oder Unfallverursacher – die Hintergründe bleiben unklar – gerade der Bruder der für die Trauerfeier verantwortliche Bürgermeisterin (Evelyn Nagel) ist, versucht diese zunächst geheim zu halten. Sie fürchtet um ihr Amt und ahnt, welche Folgen diese Information im politischen Raum zeitigen könnten, nämlich eine rechtspopulistische Instrumentalisierung des Unglücks. So kommt es dann auch. Rasch scheint für die Rivalin der Stadtvorsteherin, Frau Lerchenberg (Cornelia Heilmann), festzustehen: hinter dem Vorfall müssen islamistische Kräfte am Werk gewesen sein.
Was Theresia Walser in ihrer Komödie „Die Empörten“ thematisiert, erweist sich als possenhaftes Spiegelbild unserer Gegenwart, als ein Kampf um die Oberhand über die gesellschaftsprägenden Narrative. Mit viel schwarzem Humor und einigem Slapstick ordnet sie ihre Figuren wie auf einem Schachbrett an und lässt sie mit ihren klischierten Profilen aufeinanderknallen. Über die beiden im Wettbewerb stehenden Damen hinaus finden sich im Figuren-Ensemble noch Frau Achmedi (Elena Weber), die muslimische Hinterbliebene eines der Opfer, ein weiterer Bruder der Bürgermeisterin, der den echten Trauernden und Skeptiker mimt (Thilo Langer), sowie der opportunistische Verwaltungssekretär Pilgrim (Stefan Holm).
Viele Klischees und wenig Ideen
Gewiss lebt die Farce, bei der das Corpus Delicti in einer großen Holztruhe mitten im Rathaus versteckt wird, von ihrem Wortwitz, von einer Persiflage insbesondere der rechten Rhetorik, die mit Begriffen wie „Völkermischorgie“ oder „Körpersaftkeulen“ um sich wirbelt. Und gewiss vermag das Quintett der Badischen Landesbühne in Bruchsal mit reichlich darstellerischer Energie das beste aus dem Text herauszuholen.
Doch all diese Anstrengungen genügen letztlich nicht, um dem Werk zum Gelingen zu verhelfen. Grund für das Scheitern sind zum einen die Stereotypien im Drama selbst, die rasch zu einem Leerlauf führen und noch durch repetitive Elemente wie die von Cornelia Heilmann bis zum völligen Überdruss dargebotene Hitler-Parodie befördert werden.
Zum anderen sollte man nicht die biedere Regie aus der Pflicht nehmen. Jenseits von Off-Tönen des zum Widerstand auffordernden Pöbels vor den Türen und aus einer Rede Joseph Goebbels verlässt sich Alexander Schilling allein auf seine Schauspielerinnen und Schauspieler. Besondere Einfälle: Fehlanzeige. Das Übrige tut das Bühnenbild (Ausstattung: Katharina Andes), das mit einigen aufgestellten Holzwänden, Stühlen und einem großen, zum symbolischen Verhandlungsgegenstand avancierenden Kruzifix mehr an Peter Steiners Theaterstadel denn an findige Bühnenkunst erinnert. Geboten wird dem Publikum somit vor allem eine Mixtur aus profunder Unterhaltung und etwas leicht verdaulicher Gesellschaftskritik. Empört muten lediglich die Figuren an. Schade!