Mattes Herre und Rosalinde Renn

Trumpf im Ärmel

Joanna Murray-Smith: Switzerland

Theater:Theater Baden-Baden, Premiere:18.12.2016 (DE)Regie:Odette Bereska

„Ich möchte nicht über mich, sondern über Sie sprechen“, weicht der junge Verlagsmitarbeiter aus, als die alte Krimi-Königin Patricia Highsmith ihn auszuhorchen beginnt. Worauf Highsmith antwortet: „Natürlich. Das liegt nahe. Ich bin faszinierend, Sie nicht.“ Mangelndes Selbstbewusstsein trägt die Bestsellerautorin nicht zur Schau, und auch keine übermäßige Menschenliebe: „Ich kann Leute nicht ausstehen, die in allem das Beste sehen. Menschen sind am besten, wenn sie am schlechtesten sind.“ Doch trotz dieser Kratzbürstigkeit lässt sich der junge Mann namens Edward Ridgeway nicht abwimmeln. Denn um seine Stelle im Verlag zu behalten, muss er die zurückgezogen in der Schweiz lebende Autorin dazu bringen, einen weiteren Roman über ihre berühmteste Figur zu schreiben: den skrupellos-selbstsüchtigen Mörder Tom Ripley.

Um den sich daraus entwickelnden Zweikampf dreht sich das Stück „Switzerland“ der australischen Autorin Joanna Murray-Smith, das vordergründig wie ein very-well-made-play aussieht: Da ist eine überschaubare Situation mit einem klaren Konflikt zweier gegensätzlicher Kontrahenten, deren Machtverhältnisse sich im Lauf der Stücks aber immer wieder verschieben, weil sie nur bedingt mit offenen Karten spielen – „Enigma“ von Eric-Emmanuel Schmitt lässt grüßen. Hinzu kommen etliche zynische Bonmots, die das Stück der misanthropen Highsmith in den Mund legt, etwa: „Wer glücklich ist, stellt nur nicht genug Fragen.“ Der minimale äußere Aufwand macht das Zwei-Personen-Stück auch für kleinste Bühnen tauglich: Die deutsche Erstaufführung am Theater Baden-Baden im kuschligen Ambiente des Spiegelfoyers kommt weitgehend mit einem Schreibtisch und einem Sofa aus.

Doch hinter der Oberfläche steckt mehr: Murray-Smith lässt ihre Wort-Duellanten auch über den Zauber der Literatur reden, über die Entstehung ganzer Welten aus einem ersten Wort – und sie lässt sie gemeinsam neue Fantasiebögen spinnen, denen man beim Zuhören so gefesselt folgt wie einer Highsmith-Story. Auf dieser Basis wird „Switzerland“ zu einer reizvollen Reflektion über das Schreiben und dessen Wirkmächtigkeit. Und auch wenn klar ist, dass eine solche Hommage an eine solche Autorin auf eine „unerwartete“ Schlusswendung zulaufen muss, ist die Schlüssigkeit und Konsequenz dieser Wendung dann tatsächlich überraschend.

In Baden-Baden funktioniert dies auch deshalb so gut, weil Regisseurin Odette Bereska dem Text und ihrem Darstellerduo zu Recht vertraut. Rosalinde Renn macht aus der alten Giftspritze Highsmith eine Paraderolle: Ohne Vorwarnung schaltet sie von schroff auf spöttisch, von neugierig auf abweisend, von zermürbt auf angriffslustig um. Ist ihre Highsmith mit wechselnden Strategien im Attackenmodus – oder innerlich schon hakenschlagend auf der Flucht? Es gehört zu den Stärken von Renns Darstellung, diese Frage offen zu lassen.

Mattes Herre wirkt als Edward Ridgeway anfangs genau so blass und linkisch wie Highsmith ihn wahrnimmt, doch nach und nach fächert er weitere Facetten auf: Mit leuchtenden Augen spricht er über Literatur, kichernd redet er sich mit der daueralkoholisierten Highsmith in einen Rausch – und immer wieder blitzt ein siegesgewisses Lächeln auf, als habe er einen noch ungespielten Trumpf im Ärmel, und hält damit subtil die Spannung des Stücks, die der hier porträtierten Autorin durchaus gerecht wird.