Eröffnet hat den etwa zweistündigen Tanztheaterabend in Kassel die Choreographie „Science! Fiction! Now“, in der sich Johannes Wieland mit der Frage der sich vollziehenden und immer schon vorbeigegegangenen Zukunft beschäftigt. Zu Beginn ist es der großartige Akos Dosza, der verloren am Bühnenrand steht, mal lachend, mal weinend, der sich durch die sich küssenden Paare bewegt, einsam, nachdenklich. Am Ende aber ist der Bühnenboden aufgerissen, die Holzbretter beiseite schleudert, die Männer und Frauen graben in der freigelegten Erde, streuen den Boden aus zum Kreis. Vielleicht liegt sie unter den Schichten, die Lösung, unser verschüttetes Ich. Zwei Tänzerinnen bauen ihre Mikros und singen, nein, sprechen ihre Botschaft ihr „Wir finden nichts. No. Now.“ in das Publikum. Lebe dein Leben, wenn nicht jetzt, wann dann?
Johannes Wieland zeigt in seinem neuen Stück eine sehr klare Choreographie und eine Kasseler Company, die sich durch tänzerische Kraft und Wucht, eine überbordende Dynamik auszeichnet. Wie sich Männer und Frauen wieder und immer wieder in die Arme springen, sind das Bilder vom Ertrinken und Festhalten, wild, furios. Selten auch war Wielands Choreographie so erotisch und sinnlich wie an diesem Abend. Dann steht Rémi Benard – er hat zuvor mit einem hinreißenden Solo brilliert – am Bühnenrand, bewegt seinen Körper nur leicht, steckt sich das Hemd in die Hose (Kostüme: Evelyn Schönwald), alles ein bisschen provokativ, und findet sich dann mit Isadora Wolfe zu einem herausfordernd radikalen Duo. Und über allem und in allem die Botschaft, das Leben nicht an die Zukunft zu verlieren. Mit heftigem Applaus dankt das Kasseler Publikum für einen atemberaubenden Tanzabend.