Die eigentliche Rettung kommt aber aus dem Graben. Valtteri Rauhalammi hat seine 12 Musiker diagonal in die Tiefe gestaffelt. Er dirigiert von rechts vorn, direkt vor dem Leuchtturm – und leistet all das, was der Anblick des kleinen Dorfes hoffen ließ. Die von den Orchestersolisten der neuen Philharmonie Westfalen mit viel Brillanz und heißem Herzen gespielte Musik hat den scharfen Witz, die pulsierende Energie, die Unerbittlichkeit, auf die die Inszenierung verzichtet. Der erste Kapellmeister des MIR legt die Bigotterie der Honoratioren, die Arroganz der Eltern-Generation unerbittlich bloß und feiert, darin ganz einig mit dem Komponisten, die Integrationskraft junger Menschen. Aber auch hier wahrt Rauhalammi die Distanz, erliegt nie der bei Britten überall lauernden Gefahr, niedlich oder gar süßlich zu werden.
Auf diese Impulse stürzen sich die Sänger mit großem Enthusiasmus und schwingen sich zu einer außergewöhnlichen Ensembleleistung auf, angeführt von Anke Sieloff und Michael Dahmen, die mit ihrer unaffektierten und souveränen Verkörperung eines kleinbürgerlichen Liebespaares nachdrücklich das Herz wärmen. Hongjae Lim trifft mit hängenden Schultern genau jenen unprätentiös verdrucksten Ton, den sich Britten für seinen Anti-Antihelden vorgestellt haben mag – und der das Publikum aktiv vor die Wahl stellt, diesen Albert zu mögen, zu bemitleiden oder zu verachten. Karen Fergurson, der einzige Gast, gibt als Lady Billows kompetent die sittenstrenge Exzentrikerin, auch wenn ihr vokal ein wenig das Monströse fehlt. Das wiederum steht ihrer Haushälterin, der lässig pastosen Almuth Herbst, im Überfluss zur Verfügung.
Mit entschlossenerem, haltungsstärkerem Regiezugriff hätte aus dieser schönen Opernaufführung erfülltes, packendes Musiktheater werden können!