Das Ensemble in „Lob der Gerechten"

Demokratie wie?

Lutz Hübner und Sarah Nemitz: Lob der Gerechten

Theater:Theater Regensburg, Premiere:28.09.2025 (UA)Regie:Antje Thoms

Das Theater Regensburg zeigt die Uraufführung des neuen Stücks von Lutz Hübner und Sarah Nemitz. Die Gesellschaftskomödie „Lob der Gerechten“ entwirft an einem konkreten Beispiel ein treffendes Krisenszenario von praktischer Demokratie und begeistert damit das Publikum mit einem Wechselbad der Gefühle.

Das Antoniushaus, am Rande der Innenstadt von Regensburg, verströmt die Atmosphäre einer Schulaula. Damit ist die Übergangsspielstätte des Schauspiels der ideale Ort für die Uraufführung von „Lob der Gerechten“. Denn Lutz Hübner und Sarah Nemitz beschreiben in ihrem neuen Stück eine lokale Initiative: Ein längst verstorbener Mann soll während des Dritten Reichs zwei jüdische Schwestern auf dem Dachboden eines Hauses versteckt haben, das nun eine Gedenktafel erhalten soll. Die Kulturdezernentin – sie hat für das Jahr noch Geld, das sie ausgeben möchte – regt an, darüber hinaus ein „Fest der Demokratie“ zu organisieren. Die drei vom Stadtteilbüro sind begeistert, wenn auch nicht immer ganz einig. Müssen nur die Bewohner des Hauses und andere Initiativen im Stadtteil und der ganzen Stadt integriert werden…

Schauspiel im Stadtteil

Die Exposition der Komödie leidet in der Uraufführungsinszenierung von Schauspieldirektorin Antje Thoms noch etwas unter der bescheidenen Akustik des ehemaligen Gemeindesaals. Denn das neunköpfige Ensemble und die Kinder des Cantemus Chors agieren ohne Microports, sprechen nur mitinszeniert in Mikrofone. Immer wieder brechen sie aus ihren Rollen aus, thematisieren Macht- oder Motivationsfragen im Schauspielensemble – und übernehmen somit mühelos mehrere Rollen.

Im weiteren Verlauf der kurzweiligen zwei Stunden wird nicht nur die anfangs kahle Bühne mit Stühlen und einem Auftrittspodest bestückt (Bühne: Ute Radler), nun vor einer mäßig prunkvollen hellblauen Hausfassade im Hintergrund. Auch entwickelt sich zielstrebig aus der gutgemeinten und im Kern auch von (fast) niemandem kritisierten Initiative eine Katastrophe der Demokratie im Kleinen. Ein Fernsehreporter (Guido Wächter) beschreibt in einer Mauerschau, vor einer Wand handelsüblicher Demonstrationslogans, das dahinter ablaufende Fest, das bei großem Durcheinander unter Beteiligung von kurdischer Gemeinde und Moscheegemeinde, propalästinensischen Aktivisten, Kinderchor und Polizei, Veganern, Security und weiteren „Playern“ bald zu einer Schlägerei zwischen „Heimatschützern“ und Antifa wird.

Selbstgerechte Gutgewillte

Für das Finale vor dem Bühnenscherbenhaufen bleibt nur der Kinderchor mit Felix Kummers Lied „Alles wird gut/Die Menschen sind schlecht und die/Welt ist am Arsch/aber alles wird gut“. Die Erwachsenen stimmen ein und das Regensburger Publikum ist begeistert, denn gemeinsam lässt sich unser aller gemeinsames Versagen besser besichtigen. „Lob der Gerechten“ dürfte mit seiner gnadenlosen Analyse und glänzend komponierten Struktur, mit dankbaren Rollen und Dialogen wieder ein bundesweit erfolgreiches Stück von Hübner/Nemitz werden.

„Lob der Gerechten“ zeigt im Prinzip gutgewillte, aber eben auch selbst-gerechte Akteur:innen der Gesellschaft. Besonderes Profil gewinnt dabei Kathrin Berg als Musikerin und Chorleiterin Resi Hausner, die im überregional wahrgenommenen Stadtteilevent die Chance für ein Comeback sieht. In der Uraufführungsinszenierung wie im Text des Auftragswerks dominiert das Motiv der Sprach- und Zuhör-Störungen. Angerissen werden dafür zahlreiche gesellschaftliche Themenfelder wie Erinnerungskultur, Pro-Palästina-Bewegung, Mietwucher, Generationenkonflikte und einiges mehr. Sie münden jedoch alle in der Frage des praktischen Umgangs miteinander vor Ort.

Wechselbad der Stimmungen

Die großen Szenen in der Inszenierung von Antje Thoms liegen noch vor der Pause. Wenn sich alle an der Feier interessierten Gruppen und Initiativen vorstellen, übt das Ensemble im Hintergrund (zu diesen Statements gänzlich unpassende) Tänze. Einzelne treten nach vorne ans Mikrofon und geben ihre Zustimmung und ihr „Aber“ zu Protokoll: eine eigene Gedenktafel, eine Geldsammlung für den guten Zweck, öffentliche Statements für die eigenen Interessen. Nach diesem komisch-traurigen Chaos formieren sich „Kollektivnazis“ zum Marsch auf der Stelle: gegen die Erinnerungskultur und das „Gesinnungstheater der Eliten“.

Im rasanten Rollenwechsel schickt das spielfreudige Ensemble das Publikum in ein Wechselbad der Gefühle, das weitergeht: Natascha Weigang, die ansonsten die Rolle der glücklosen Macherin Mareike spielt, stoppt das geisterhafte Treiben und macht ihrer Empörung über die global grassierenden, dummen Bosheiten in aller Welt und in dieser Stadt Luft. Dieser so privat wie öffentlich wirkende Zwischenruf an der Bühnenkante beschreibt beeindruckend den emotionalen Hintergrund der Gesellschaftskomödie. Die Welt ist am Arsch, und wir lachen gemeinsam – über uns.