Dann folgt ein völliges Versagen von Regie und Dramaturgie. Als running gag gibt es eine mehrteilige Fernsehsoap-Parodie namens „Vatta, Mutta, Kind“. In einem Fantasiebayrisch werfen sich die Schauspieler derbe Beleidigungen und Unterschichtenslang an den Kopf. Handlung der ersten Folge: Einer hat in die Badewanne geschissen, und es stinkt. So geht es weiter. Vielleicht wollten Hirche und Schlötcke das mentalitätsbildende Unterschichtenfernsehen persiflieren, wie es Alfred Jarry mit Shakespeares Tragödien tat. Doch „Macbeth“ hat eine andere Fallhöhe als „Verbotene Liebe“. So entsteht nur potenzierte Blödheit, die durch mehrmalige Wiederholung zermürbend wirkt.
Manchmal gehen die Schauspieler ganz nah an die erste Reihe heran, überschreiten Schamgrenzen. Lord Bishop saß mir gegen Ende der Premiere sogar auf dem Knie. Doch mit dem Thema setzen sie sich überhaupt nicht auseinander. Nie wird es schmerzhaft oder gar existentiell, alles ist Rumspielerei und Albernheit. Lord Bishop singt nur ganz gelegentlich, fast wie eine Pflichtübung, wo er schon mal da ist. Gelegentlich ist zu spüren, dass gute Schauspieler auf der Bühne stehen, die blitzschnelle Rollenwechsel beherrschen und plötzlich Zwischentöne erahnen lassen. Aber sie haben nur überdrehten Mist zu spielen.
Ganz am Ende dann plötzlich eine Botschaft. Anjorka Strechel, die jüngste, ist allein im Klassenzimmer zurück geblieben und sagt, nun wolle sie lernen, dem Blick der anderen standzuhalten. Ganz pädagogisch klingt das, wie zum Mitschreiben. Oder ist das auch wieder ein Witz? Es ist wunderbar, dass die Theater Jugendproduktionen als künstlerisch-sinnliche Ereignisse begreifen und nicht den Nutzwert in den Vordergrund stellen. Doch so eitel, selbstverliebt und dämlich wie diese Aufführung dürfen sie nicht werden. In Mülheim sollte es um die Scham gehen, doch der Abend ist nur peinlich.