Das hat die wunderbare Schar der Solisten ebenso wenig verdient wie die von Christan Thielemann angeführte Staatskapelle, die vor allem in ihren leisen Momenten für Gänsehaut sorgen kann (wenn’s lauter wird, scheppert es gelegentlich ein wenig zu arg). Aber die Solisten: Zeljko Lucic (Boccanegra) und sein Widerpart Kwangchul Youn als Jacopo Fiesco liefern sich eindrucksvolle Duelle und zum Ende hin ein Duett des Verständnisses der großen alten Männer, das unwillkürlich auf das Ende aller Konflikte auch außerhalb des Opernhauses hoffen lässt. Maria Egresta als Emilia benötigt ein paar Minuten Anlauf, um sauber zwischen höheren und tieferen Lagen zu wechseln, doch spätestens im ersten Duett mit Ramón Vargas zeigt sie sich gefühlvoll verletzlich auf der Höhe. Vargas als ihr Liebhaber Adorno ist leidenschaftlich in seiner Liebe, düster in seinen Rachegelüsten, leidend in seinem Zweifel und damit ein Hörvergnügen. Den widersprüchlichsten Part des Paolo Albiani – immerhin muss er sich selbst verfluchen – meistert Marcus Marquardt vortrefflich. Dass all ihnen die Show gestohlen wird, tut wenig not.
Überzeugender ist da der inszenatorische Einsatz des gewaltigen Chores. Er rumort, er greift zu Mistgabel und Feuer, er wechselt – siehe oben – die Seiten. Und mitten im Kampf begriffen wird er eingefroren, Boccanegra wandert durch die Masse der erstarrten Kämpfer wie durch Tübkes Kyffhäuser-Panorama vom Bauernkrieg. Plastisch wird hier die Schwierigkeit des inneren Friedens greifbar – sowohl für Genua als Ganzes wie für jeden seiner Protagonisten.