"Herr Fritz vom Geheimdienst" am Theater an der Parkaue

Mit Legotechnik in die Kommandozentrale

David Lindemann: Herr Fritz vom Geheimdienst

Theater:Theater an der Parkaue, Premiere:12.04.2015 (UA)Regie:Katrin Hentschel

Wer verbirgt ein gefährliches Geheimnis? Und wer wird es zuerst (v)erraten? Verbrecherische Weltverschwörung und ein Geheimdienstler auf ihrer Spur – den Actionagenten schlechthin haben sich Autor David Lindemann und Katrin Hentschel, die neue Oberspielleiterin des Theaters an der Parkaue, als Vorbild für ihr Stück genommen: Bond, James Bond. Mit Augenzwinkern, selbstverständlich: „Herr Fritz vom Geheimdienst“ trägt einen schön bürokratisch-deutschen Titel, und Herr Fritz (Stefan Kowalski) ist zwar in ansehnlichen grauen Zwirn gekleidet, aber ein eher unauffälliger Familienvater, der in Berlin im Büro sitzt statt im BMW durch die Weltgeschichte zu brausen. 

Sein Büro, das ist das Kabäuschen unten rechts in der zweistöckigen Simultanbühne von Jens Dreske, in der das Auf- und Zuziehen von Jalousien einen Spielortwechsel ankündigt. Telefon, Laptop, Tisch, Stuhl, Garderobe und ein Bild vom Schäferhund: Herr Fritz arbeitet reichlich bieder. Und er ist alles andere als ein 007 von schier unfehlbarer Perfektion – mitunter verrät er sich selbst wie der nächstbeste Amateur. Er wird enttarnt von seiner zehnjährigen Tochter Selma (Marie Gesien), der er erzählt hat, er sei Lokführer oder vielmehr, sehr pedantisch: Triebfahrzeugführer. Nach dem Büro Kappe auf und Jacke an, das soll genügen. Doch Selma hat eine überlegene Information in petto: der Totmannknopf im ICE-Cockpit ist ein Fußpedal, kein Knopf, das weiß Selma von der Mutter ihrer besten Freundin Ayse. Frau Kaftan (Caroline Erdmann) ist investigative Journalistin – hier das in einen eleganten roten Hosenanzug gekleidete Gegenbild zum Geheimdienstmitarbeiter: ebenso detektivisch unterwegs, aber der Transparenz verpflichtet. Und Herr Fritz geht Selma prompt ins Netz, ist er doch, anders als Frau Kaftan, nicht zu Recherchezwecken vorne im ICE mitgefahren. Ein Fehler. 

Trotz Enttarnung will er seine Geheimnisse nicht mit Selma teilen? Dann schickt sie jetzt – Erpressung! – eine enttarnende E-Mail auch an Frau Kaftan. Wer Mitspieler ist und wer Gegenspieler, das ist in diesem flüssig getakteten Hin und Her, wie in jedem guten Agententhriller, nicht immer eindeutig. Klar ist nur, wer der Feind ist: die Verbrecherorganisation M.O.N.S.T.R.E. unter LeSchurk, die Geschäfte mit der Weltherrschaft macht, die sie verkauft hat an die zwölf reichsten, mächtigsten Menschen – per Video eingespielt ein Tribut an die Verkleidungslust: als Diktator, Scheich und Maharaja, Präsidentengattin oder Fußballfunktionär ein schräges Dutzend. Ian Flemings S.P.E.C.T.R.E. mit LeChiffre lassen grüßen! Einen von LeSchurks Coups hat Fritz gerade erst wieder vereitelt: die „totale Herrschaft“ über die Ordnung der Dinge. Per „Superserver“ hat LeSchurk sämtliche digitalen Texte in Buchstabensalat verwandelt und die Welt ins Chaos gestürzt. Entzifferbar soll das Verschlüsselte allein mit den M.O.N.S.T.R.E.-Geräten sein – ein Monopol, das an proprietäre Hard- und Software von Microsoft oder Apple erinnert. Doch zum Einen kann die Rechenkünstlerin Ayse (Lea Willkowsky), die mit Selma mittlerweile tief in die Vorgänge verstrickt ist, die simple anagrammatische Verschlüsselung per Stift und Zettel sofort knacken: Wer Nordsee neigt wird mit leer? Klar – M.O.N.S.T.R.E. wird die Welt regieren. Und auch Herr Fritz hat keine Mühe mit dem Monster, er hackt den Server. „Vielleicht beim nächsten Mal“, schreibt er an LeSchurk. „Herzliche Grüße, Ihr Herr Fritz vom Geheimdienst“. Noch ein Fehler: Die Botschaft ist auf allen Anzeigetafeln der Welt zu lesen – wie die Zwölf per Video eingespielt – und so kommen ihm Frau Kaftan und Selma, aber auch LeSchurk auf die Spur. Und wie leichtgläubig Fritz ist: LeSchurks Spionin, die Verkleidungskünstlerin Chamäleon (Birgit Berthold), gibt sich mit Fell und Plastemaske tatsächlich erfolgreich als Fritzens geliebter Spürhund Hasso aus. M.O.N.S.T.R.E. meint, Herrn Fritz nun endgültig in der Hand zu haben. 

Hier fängt, per Dialog zweifach angekündigt, etwas Neues an in diesem Stück. Nun geht es doch rund um die Welt und gut zur Sache. Durch eine geheime Tür im Laden der Süßwarenverkäuferin Sugar Mama (Franziska Ritter) – deren Sohn Schimmelpfennig (Johannes Hendrik Langer) Fritzens schusseliger Sekretär ist, eine Null statt Doppelnull – gelangen die  abenteuer- und aufklärungslustigen Freundinnen Selma und Ayse nach Übersee, auf LeSchurks Yacht und Kommandozentrale. Dort treffen im Showdown alle aufeinander und die gut getimte Inszenierung gewinnt noch einmal ordentlich an genreüblichem Unwahrscheinlichkeitsdrive: Die Zwölf wollen die Mädchen töten, entscheiden sich dann aber doch für Fritz, der waghalsig von Bord springt – und dank der Legotechnik seines Sohnes Pepe (wie Schimmelpfennig: Langer) mit Atemgerät und Propellerantrieb unter Wasser gen Ufer schwimmt. Und, ganz Bond-getreu, erweist sich zum Schluss, dass die Guten doch am längeren Hebel saßen. LeSchurk ist Fritzens V-Frau, genauer: Sugar Mama, die von ihrem Laden direkt auf die Yacht gelangt und Herrn Fritz täglich das Passwort für den Superserver zusteckt. Nach der rasanten, durchweg überzeugend gespielten Bühnenaktion gibt es zustimmenden Beifall in der nicht ganz ausverkauften Parkaue. Eine Stunde zwanzig gute Unterhaltung, für Kinder ab neun Jahren.