Henner Momann als Johann Holtrop in Mainz

Männer, Manager, Machtspiele

Nach Rainald Goetz: Johann Holtrop

Theater:Staatstheater Mainz, Premiere:21.03.2024Regie:Friederike Heller

Rainald Goetz‘ Roman „Johann Holtrop“ vom Fall eines Machtmenschen wurde am Schauspiel Köln erfolgreich gespielt und hatte nun am Staatstheater Mainz Premiere. In Friederike Hellers Inszenierung gerät die Machtmänneranalyse kurzweilig-komisch.

Graue Vorhänge strukturieren die Bühne im Kleinen Haus des Staatstheaters Mainz (Ausstattung: Sabine Kohlstedt). Im lindgrünen Anzug bewegt sich Henner Momann als Titelfigur beswingt an der Seite der kleinen Band (Michael Mühlhaus, Peter Thiessen) als egozentrischer Obermacher. Den älteren Statthalter Tewes (Armin Dillenberger) am ostdeutschen Standort der Firma entlässt er zum Einstieg dieser Analyse von testosteron-geschwängerten Machtspielern der 2000er Jahre. Das Buch von Rainald Goetz ist eine nüchterne Fiktionalisierung der Figur Thomas Middelhoff.

Unterhaltsamer Untergang

In der mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichneten Kölner Inszenierung Stefan Bachmanns wurde das Werk wie eine kühle Oper von einem reinen Frauenensemble streng choreografisch und chorisch zergliedert. Friederike Heller besetzt unter Verwendung der Kölner Textfassung das Stück dagegen mit einem reinen, fünfköpfigen Männerensemble. Auch hier wird zeitweise chorisch agiert, meist besprechen sich die Männer aber direkt selbst: „Offenbar hatte ich versucht, mich zu erhängen“, teilt uns Thewe (Armin Dillenberger) mit, nachdem er das gnadenlose Spiel um die Macht in der Firma verloren hat.

Durch die schnörkellose, epische Selbstdarstellung wird die Handlung rasch und klar aufgefächert. In der Mischung aus Selbstdarstellung bei immer mitgespielter Distanz gerät das wenig erfreuliche und auch ziemlich vorhersehbare Schicksal des „Helden“ in Mainz ziemlich komisch. Das gelingt dem spielfreudigen Ensemble auch in den Frauenrollen von Sekretärin oder Firmenpatriarchin (Sabah Qalo), Gattin Holtrop (Benjamin Kaygun) oder freundlich-distanzierter Journalistin (David T. Meyer).

Sich selbst überholt

Besonders im zweiten Teil des zweieinhalbstündigen Abends, wenn die Vorhänge um Hinter- und Konferenzzimmer beiseite gezogen sind und der Blick auf das Ende von Karriere und mentaler Gesundheit Holtrops frei wird, entwickeln sich unterhaltsame Konstellationen vom alleingelassenen Holtrop in einer Welt verschlagener Dickwanste. Fast kann man Mitleid mit diesem verhinderten Schriftsteller, dem Verächter von Durchschnittlichkeit und Freund von Radikalität und Speed entwickeln, wenn er sich nicht selbst grundsätzlich im Wege stünde.

Als er nach einem peinlich teutonischen Ausbruch in einem Pariser Restaurant in psychiatrische Behandlung kommt, schwebt Holtrop in der Luft baumelnd und taumelnd über der Bühne. Am Schluss steht er schließlich alleine vor dem grauen Bühnenvorhang und stolpert bei einem eigentlich gar nicht mehr gewollten Suizidtrip an der Bahnstrecke in den Tod. Indem der verhinderte Schriftsteller mit seinem geliebten Füllfederhalter da neben sich steht, ist er eigentlich ganz bei sich.

Wir sehen im Mainzer „Johann Holtrop“ eine grotesk zugespitzte und zugleich ziemlich normale Männerwelt. Das ist keine neue Erkenntnis und ist ersichtlich vor aktuellen #Meetoo-Debatten geschrieben. Und wirkt doch lehrreich unterhaltsam.