Hektische Wimmelei

Sandra Strunz: Wimmelstadt

Theater:Theater der Jungen Welt, Premiere:19.09.2025 (UA)Regie:Sandra Strunz

Das Theater der jungen Welt zeigt zur Spielzeiteröffnung unter der neuen Intendantin Miriam Tscholl eine „Wimmelstadt“. Neun Ensemblemitglieder spielen darin Miniaturen einer Großstadt wie Leipzig – komplett ohne Sprache.

Fast in Zeitlupe müht sich ein Opa mit Rollator vorwärts, die eine Hand zittrig auf dem Rücken. Bis es ihm endlich gelingt, schwerfällig gebeugt eine Pfandflasche vom Boden aufzuheben, ist der Straßenfeger, dem er sie entgegenstrecken will, längst weitergezogen…

Solche Momentaufnahmen einer Großstadt reiht „Wimmelstadt“ aneinander, mit der Miriam Tscholl als neue Intendantin von Leipzigs traditionsreichem Kinder- und Jugendtheater die Spielzeit eröffnet. Es gibt keinen roten Faden in der Inszenierung von Sandra Strunz, keine Sprache, dafür temporeiche Auf- und Abgänge der neun Ensemblemitglieder. Das Publikum ab sechs Jahren sitzt an vier Seiten um die Bühne, aus den vier Ecken rennen, rollen oder fahren die vier Schauspielerinnen und fünf Schauspieler herein, zeigen mal witzige, mal skurrile Kurzbegegnungen unter Großstadtmenschen. Inklusive einer guten Portion Klischees natürlich.

Großstadt-Momentaufnahmen

Da ist die Lady in weißem Hosenanzug, hektisch telefonierend ihre Shopping-Tüten schwenkend. Da kreuzt ein sonnenbebrillter Radfahrer mit Musikbox auf dem Gepäckträger erschrockene Passanten, Schulkinder mit Ranzen und fliegenden Brotdosen queren die Bühne, der obligatorische Obdachlose schiebt einen Einkaufswagen mit seinen Habseligkeiten herum, gibt später eine coole Tanzeinlage und damit eher eine Parodie von Armut.

Auch kleinere Choreografien entstehen (Choreografie: Sofiia Stasiv), etwa, wenn eine Fußballmannschaft Balletteinlagen mimt oder Straßenfeger fast synchron haufenweise Papierschnipsel wegfegen, die ein Mann zuvor aus einem Ikea-Beutel ausgekippt hatte. Tänzerisch wird es auch im geschickten Duett eines Paares, das sich in einen übergroßen Mantel eindreht, kunstvolle Pirouetten in verknoteten Ärmeln vollführt.

Ensembleszene aus „Wimmelstadt”. Foto: Tom Schulze.

Paketboten (DHL und Hermes), Polizisten, Reisende mit Rollkoffern, Straßenfeger, menschengroße Tauben – sie alle wuseln in beachtlichem Tempo und mit großer Präzision umher. Das bebildert die Rastlosigkeit unserer Zeit, bleibt aber ziellos und damit bunte Hülle. Es fehlen echte Ruhepunkte, 70 Minuten lang kann die anfängliche Spannung nicht gehalten werden: Das Gewimmel wird anstrengend und laut wie das Leben in der Großstadt. Trotz kunstvoller Gesangseinlagen mit Claudio Monteverdis „Lasciatemi morire“ von Moritz Carl Winklmayr.