"Oleanna" von David Mamet in der Podium.bar des Theaters Ulm

Kampf um Deutungshoheit

David Mamet: Oleanna

Theater:Theater Ulm, Premiere:15.11.2014Regie:Miriam Locher

Als „Oleanna“ von David Mamet 1992 zur Uraufführung kam, wurde dieses Machtspiel zwischen einem Professor und einer Studentin über die Deutungshoheit von Handlungen als Musterbeispiel von „political correctness“ zu einem überwältigenden Erfolg. Nicht zuletzt durch die Verfilmung 1994 wurde „Oleanna“ in den 90er Jahren auch in der Bundesrepublik zu einem vielgespielten Stück. Dass das Stück auch 2014 seine Aktualität behalten hat, zeigt eine Aufführung in der „Podium.bar“ des Theaters Ulm.

Für die Inszenierung der jungen Regisseurin Miriam Locher hat Mona Hapke einen Raum geschaffen, der symbolisch das Scheitern der Kommunikation zwischen John, dem Professor, und der Studentin Carol andeutet. Boden und Wände sind mit Papier überzogen, auf die wissenschaftliche Formeln und Ableitungen vor allem aus der Kommunikations- und Sprachwissenschaft –  z.B. die Theorie der Sprechakte von Searle – abgebildet sind. Im Raum steht nur ein Schreibtisch, ansonsten sind Stapel von Papieren und Haufen von zerknülltem Papier im Zimmer verteilt.

In diesen Elfenbeinturm der Wissenschaft dringt Carol ein, schüchtern, ängstlich, muss sie doch fürchten, für das Seminar keinen Abschluss zu bekommen. Er hingegen steht kurz vor seiner Berufung zum Professor auf Lebenszeit und ist gerade dabei, für seine kleine Familie ein Haus zu kaufen und somit ständig am Telefon beschäftigt. Und vor allem Dingen versteht Carol die Sprache des Professors nicht, der wiederum immer allzu gut „versteht“ – und ihr aus Sympathie einen Nachhilfekurs geben und die schlechte Note annullieren will.

Maximilian Wigger-Suttner spielt John mit wenigen Gesten in allen seinen Widersprüchlichkeiten aus. Sein Gesicht zeigt in einem Moment Verblüffung darüber, dass da jemand seine Sprache nicht versteht, und doch kann er im nächsten Augenblick seine Selbstgefälligkeit nicht unterdrücken, wie unmittelbar darauf die Ahnung von Unsicherheit, die aus der Aufsteigerbiografie kommt, die auch sein „Verständnis“ begründet. Er bleibt aalglatt in seiner leichten gebückten Körperhaltung, die sichtlich an Contenance verliert, als Carol mit ihrer Gruppe seine Berufung zu Fall bringt, weil sie seine Handlungen anders deutet, als er sie meint. Mit offenen Hemdkragen agiert er nun, plattes Unverständnis spiegelt sich in seinem Gesicht, mit unterdrückter Wut und schon fast greinend, Carol an seine Frau und seinen Sohn erinnernd.

So, wie Maximilian Wigger-Sutter in seiner Rolle an Status verlieren muss, so gewinnt im Laufe des Spiels Carol an Hochstatus. Bewegt sich zu Beginn Renate Steinle in ihrer Rolle noch schüchtern-verhuscht, fast ängstlich durch den Raum, auch dadurch, dass sie möglichst immer den größten Abstand zu John sucht, so gewinnt sie zunehmend an Selbstbewusstsein. Am Ende steht sie als die korrekt gekleidete Dame (Kostüme auch Mona Hapke) überlegen lächelnd am Schreibtisch des unterlegenen John und fordert die Unterschrift ein, die sein Buch auf den Index der Universität setzen wird.

Die Inszenierung von Miriam Locher überzeugt durch die Genauigkeit der Körperhaltungen und Gestiken wie durch eine intelligente Streichfassung. Spannendes Schauspielertheater in Ulm.