Die Szenerie ist dreigeteilt. Links dominiert ein Brettergerüst, das funktional als Wassertreppe, Höhle oder Berg genutzt wird, also der Handlungsort von Humboldts Reisen. In der Mitte begegnen sich die beiden Wissenschaftler, rechts, wieder auf einem erhöhten Podest, deuten ein Tisch, auf dem eine große Kanne und eine Tasse stehen, ein Teleskop und sechs Stühle einen Innenraum an, der sowohl als Humboldts Wohnung als auch als Rückzugsraum von Gauß dient. Auch die Wände des Podiums spielen mit, rechts sind auf einer großen Videowand Bilder von tropischen Pflanzen oder von Johanna zu sehen, hinter einer riesigen Plastikfolie scheint sich ein tropischer Garten zu verbergen, auf anderen Wänden sind mathematische Formeln zu lesen. Das Publikum sitzt sich in zwei Abteilungen gegenüber.
Blitzschnelle Rollenwechsel
Einen tollen Spielraum hat Fumian kreiert, die auch die historisierenden Kostüme entworfen hat. Da zudem Kleidungsteile und Requisiten im Raum verteilt sind, kann es zu schnellen Umzügen auf offener Bühne kommen. Denn es gibt blitzschnelle Rollenwechsel, insbesondere trifft es den „dritten Mann“, Stephan Clemens, der blitzschnell vom Erzähler, zu Eugen, dann wieder zu Goethe – eine parodistische Glanznummer – wechselt. Frank Wilhelm Ehrhardt spielt Humboldt als süffisanten Weltmann, ein wenig arrogant von oben herab, mit parodistischen Zügen. Ins Zentrum der Aufführung spielt sich Karl Heinz Glaser als Gauß. Die intensiven Momente dieser Inszenierung werden von ihm geprägt, wie ihn zum Beispiel die Nachricht des Todes seiner Johanna körperlich trifft, wie da ein Mensch in sich zusammen kippt, löst beim Publikum große Betroffenheit aus. Dass bei Ehrhardt und Clemens solche Momente fehlen, liegt nicht an ihnen, sondern an den ständigen Rollenwechseln, die dazu führen, dass die dargestellten Figuren eher parodistisch vorgeführt werden.
Hilfe durch Kooperation
Obwohl Spielweisen, Funktionalität des Bühnenbilds und der offene Kostümwechsel auf ein hohes Spieltempo verweisen, zieht sich die Aufführung hin. Das liegt an der Ehrfurcht, die Edith Ehrhardt dem Text entgegenbringt, ja, mit der sie diesen geradezu zelebriert. Leider wird dabei auch deutlich, wieviel Staub bereits auf dem Text liegt. Das ist schade. Denn „Die Vermessung der Welt“ ist eine Kooperation des Theaters Ulm mit der benachbarten Theaterei Herrlingen, ein Kleintheater, das seit Edith Ehrhardt es übernommen hat, beachtliche Inszenierungen herausgebracht hat, in einem wunderbar intimen Raum. Was aber auch bedeutete, dass es während des langen Lockdowns keine Einnahmen gab. Dass da das Theater Ulm kooperativ eingreift, ist nachahmenswert.