Zwei Darstellende stehen zur Kamera gewahnt. Beide blicken mit Grauen nach vorne.

Schweigende Mehrheit

Gerhild Steinbuch: Glaube Liebe Hoffnung oder Leistung muss sich leider lohnen

Theater:Theater Konstanz, Premiere:27.09.2025 (UA)Regie:Nina MattenklotzMusikalische Leitung:Jacob Stoy

Was passiert, wenn man blind auf die Demokratie vertraut und sich nicht für sie einsetzt? Dieser Frage geht Regisseurin Nina Mattenklotz am Theater Konstanz nach. Im Stück „Glaube Liebe Hoffnung oder Leistung muss sich leider lohnen“ zeigt sie, wie politische Müdigkeit und das Erstarken rechter Parteien sich gegenseitig bedingen können. Eine spannende, stellenweise auch humorvolle Uraufführung mit bitterer Gesellschaftsanalyse.

Bei dem neuen Stück von Gerhild Steinbuch denkt man an Ödön von Horváth: „Glaube Liebe Hoffnung oder Leistung muss sich leider lohnen“. Tatsächlich übernimmt die österreichische Autorin Figuren und Handlungssegmente des Schriftstellers. Ihr Text ist jedoch mehr als eine Überschreibung. Am Anfang wird Elisabeth gefragt: „Wenn du irgendwas ändern könntest in deinem Leben, wann würdest du es ändern?“ Steinbuch setzt dabei diese Frage in ein dystopisches Ambiente: Bei den Wahlen 2029 hat die AfD gewonnen und verändert die Welt um Elisabeth, die aber – aufgewachsen in der Kohlzeit – fest an die Leistungsideologie glaubt. Eingehüllt in das Gedankengut der Mittelschicht sieht sie weg. Ihr wahrer Papa, wie in einer der letzten Szenen gelüftet wird, ist Helmut Kohl (im Geiste).

Dabei bricht um Elisabeth die Welt zusammen. Bruno, mit dem sie zusammen eine Wohngemeinschaft betreut, wird von seinem Chef Prantl gekündigt. Ulrich Hoppe legt den Bruno als Zyniker mit Durchblick an. Florian Rummel hingegen spielt diesen Chef in Shorts (Kostüme: Therese Witt) aasig. Schon vor der Wahl lässt er Schlagwörter wie „Volk“ und „Raum“ fallen. Maria, die Journalistin, forsch gespielt von Sylvana Schneider, wird nach der Übernahme durch die AfD der Zutritt zu ihrem Fernsehstudio verweigert. Schupo schließlich, ihre Freundin, besetzt mit Kolleg:innen und Student:innen ihr Institut. Zoubeida Ben Salah, die schauspielerische Entdeckung des Abends, füllt diese Rolle mit überzeugendem Schwung aus, zieht sich auch mal zum konzentrierten Beobachten zurück, um im nächsten Moment über die Bühne zu wirbeln.

Der Müdigkeit erlegen

Was Steinbuch in ihrer Auftragsarbeit für das Theater Konstanz vorführt, ist, dass Elisabeth keine Widerständlerin ist. Auch wenn Prantl sie schließlich kündigt und das Haus ihrer Eltern zerstört wird. Maria Lehberg als Elisabeth, ganz in Grün gekleidet, nimmt zunächst stoisch hin, was um sie herum passiert. Sie hört die Stimmen der Eltern. Sie hört den Showmaster aus den Neunzigerjahren und die Musik aus dieser Zeit. Aber diese äußeren Eindrücke machen nach und nach doch etwas mit ihr. Lehberg wird immer lauter und zugleich immer müder, zudem ist ihr Leib voller Schmerzen. Die Müdigkeit wird zum Grundthema: Wer sich auf den Boden legt, will von der Welt nichts mehr sehen und hören.

Nina Mattenklotz hat diesen Text, der dramaturgisch zwischen pointierten Dialogen, Statements zu der Haltung der einzelnen Figuren, privaten Erzählungen und knappen poetischen Einlagen changiert, mit Live-Kamera (Devin Maier) und dokumentarischen Videos (Jacob Stoy, der auch für die Musik zuständig ist) in Szene gesetzt. Zudem lässt sie das Ensemble auf einer Drehscheibe agieren, die sich zum Ende hin schneller dreht, sodass die Spieler:innen ins Taumeln geraten. Eva Lilian Wagner hat ein Bühnenbild geschaffen, das eine schnelle Spielweise ermöglicht. Ein hoher Raum, durchbrochen durch drei Eingänge. Sie braucht dafür nur wenige Requisiten: einen Kühlschrank und einen Berg aus schwarzer Plastikfolie. Das Ensemble spielt zusammen mit vier Statist:innen alle anderen Rollen, wobei Vater und Mutter nie durchgängig gespielt werden, sondern ihre Rollen ständig wechseln.

Ein demokratisches Grundproblem

Die Ausgangsfrage beantwortet diese Uraufführung am Theater Konstanz eindeutig: Elisabeth wird sich nicht ändern. Gerhild Steinbuch weist mit ihrem Stück auf das Grundproblem einer jeden Demokratie hin: Da, wo geschwiegen wird, setzt sich die Rechte durch und wickelt demokratische Grundsätze ab. Steinbuch erzählt das mit durchaus humorvollen Tönen. Ein spannendes Stück, eine spannende Inszenierung, eine bittere Gesellschaftsanalyse.