„status quo“ am Theater Hof, hier mit Sabine (Susanna Mucha), Florian (Benjamin Muth) und Isa (Antje Hochholdinger).

Gender-Farce

Maja Zade: status quo

Theater:Theater Hof, Premiere:11.11.2020Regie:Jasmin Sarah Zamani

Ich habe nicht laut, aber vernehmbar gelacht – und war trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Beteiligten der einzige Lachende. Im stark verdunkelten Studio des Theater Hof konnte man die seit Frühjahr 2020 vorgenommenen Verbesserungen gar nicht erkennen – eine rundum erneuerte technische Ausstattung, die Isolierung vom Geräuschaufkommen aus dem Foyer und ein ansteigendes Publikumspodest. Geblieben ist zum Glück der asymmetrische, variabel nutzbare Grundriss. Vorstellungen großer Produktionen finden bis zum Abschluss der umfassenden Sanierungsarbeiten an dem 1994 eröffneten Theatergebäude in der Ersatzspielstätte „Schaustelle“ statt.

Was gab es zu lachen im Presse-Preview zur zwangsläufig erst nach der Schließzeit stattfindenden Eröffnungspremiere im Studio? Intendant Reinhardt Friese sicherte sich die Zweitproduktion des 2019 an der Schaubühne uraufgeführten Stücks, das demnächst auch in Riga und Stockholm herauskommt. Die notorische Situationsverdreherin Maja Zade dreht in ihrem Satyrspiel „status quo“ den Gender-Spieß um. In Simultanhandlungen schickt sie den sympathischen Florian Wille in die Höhlen der Löwinnen und Arbeitgeberinnen: in einen Drogeriemarkt, in eine Immobilienagentur und ins Theater. Dort wird er, obwohl er nicht das gesuchte „geile Ding“ ist, mit der Titelrolle in „Emil Galotti“ belohnt. Flo(rian) macht alles mit. Weder vor sich oder anderen gibt er Zweifel und Mangelerscheinungen zu. Bis ihm die Mähre durchgeht und er seiner besserverdienenden Partnerin nach neun Jahren den Bettel hinknallt. Er flüchtet aus der Eigentumswohnung und dem vage dämmernden Kinderwunsch.

Nicht immer sind die verschiedenen Sphären eindeutig. Aber die hierarchische Fallhöhe machen Regisseurin Jasmin Sarah Zamani, die sich auf die immense Spiellust des Ensembles verlässt, und Ausstatterin Franziska Isensee, welche frau sowie den für Kaffee und Kopieren zuständigen Quotenmann (Philipp Brammer) auf hohe Säulen setzt, unmissverständlich deutlich. Die Darstellerinnen Cornelia Wöß, Antje Hochholdinger und Susanna Mucha switchen souverän zwischen hierarchischen Ebenen und sozialen Rollen des starken Geschlechts. Alles da: die Steuerberaterin im steilen Karriereflug, die Trainee mit geübtem Blick fürs männliche Ausbildungsfrischfleisch und die Intendantin in offener Ehe, welche Eskapaden spießigerweise nur außerhalb ihrer Wohnung genießt. Schwer unterscheidbar sind Figuren und Funktionsverdopplungen, weil Zades Personenverzeichnis nur Vornamen, aber keine Berufe nennt.

Das flotte Spieltempo verstärkt die zackige Sprunghaftigkeit. Am sichersten agieren die Figuren, wenn sie sich am sicheren Gerüst normierter Schlagsätze festhalten. Der Abend wirkt sympathisch, weil die Regisseurin Zamani vormoderne Geschlechtsmuster nicht nur umdreht. Mehrfach kommt es zu Zäsuren, durch welche Fragezeichen hinter Worthülsen und den in Parodie umschlagenden Gender-Direktiven entstehen. Die Frauen gefallen sich in den von den Bürohengsten übernommenen Posen. Nur bei politisch korrekt abgeflachten Zoten über das ‚schöne Geschlecht‘ wirkt der rüde Ton etwas bemüht und eher angelernt als echt obszön.

Immer mehr rotieren die Figuren im Verhalten nach Vorschrift. Zur Belohnung gibt es Gratis-Kaffee für Kundinnen und Verkäuferinnen. Am besten durchbrechen das allerdings nicht die Frauen in gehobenen Stellungen, sondern der gern genommene Florian Wille. Dieser spielt alle legitimen Muster des Mannseins aus und mimt auch den Macho wie früher frau den Vamp.

Wer über all das lacht, verrät Verhaftung in abgewrackten Denkmustern. Deshalb traute sich niemand. Dann schlägt die Gender-Farce auch noch ins Business-Drama um. Wer nicht spurt, DER fliegt! Fast noch grausamer als eine Vergewaltigung ist es, wenn die von Chefinnenhand über Flos Schultern geschüttete Lotion auf den schönen neuen Studio-Boden klatscht, deren Aroma im Raum verfliegt und Flo dasteht wie ein krummes Würstchen mit dem Blick eines geschlagenen Hundes. Die neuen Verhältnisse gleichen den alten – schwer fassbare Grauzonen inbegriffen.

Benjamin Muth passt als Flo(rian Witte) ausgezeichnet in die Dreifachbelastung von Job, Haushalt und Problemen. Die Anrede mit Flo verbittet er sich, aber Florian wollen ihn die Chefinnen im Job und die Chefin daheim nicht nennen. Flo zerbricht an der Männerrolle und dem generellen Druck. Für alles hat er die richtige Legitimation parat – für den Studienabbruch und seine heikle Erwerbslage in unterbezahlten Provisionsjobs. Mit rosa Hemd und Kniestrapsen ist er attraktiv, aber nicht aufreizend gekleidet. Nur seine Geschlechtsmaße seien wenig vorteilhaft, sagen die Kolleginnen. Die Haare trägt Flo passend nach Anlass offen oder gebunden. Und immer frisch gewaschen – logisch.

Das ausbleibende Lachen des Publikums liegt nicht am Mangel von gewitzten Spielsituationen. Als geradlinige Eins-zu-Eins-Verquerung wäre „status quo“ schreiend komisch und genauso intelligent, ginge aber kaum unter die Haut. Die Hofer Produktion zeigt leichtes Unbehagen am schweren Gender-Dogma. Deutlich wird auch, dass mann sich arrangieren muss oder scheitert. Deshalb ersticken Lachimpulse im Wechsel von Schadenfreude und Mitleid. Perfide halten sich Spaß und Spannung im Gleichgewicht: Bis die Lichter angehen, hat Flo nichts mehr in Griff. Dabei macht er fast alles richtig: Mann ist eben nie gut genug.

Wer den Stücktext lesen kann, ist klar im Vorteil: Maja Zade gestaltet das Anwenden und Auslassen von Gender-Sternchen mit aussagekräftiger Vielfalt. Auch deshalb kann sich das Publikum auf dieses Eröffnungsfestspiel freuen, das für die zukünftige Nutzung des Studios eine gegenwartsrelevante, bunte Programmatik verspricht.

Wie im Text bereits angemerkt, bezieht sich die Kritik auf eine Voraufführung für Presseleute, die aufgrund des neuerlichen Lockdowns anstelle der Premiere stattfand. Das als Premierendatum angegebene Datum ist entsprechend das Datum der Voraufführung. (Anm. d. Red.)