Hinreißend dann, wie Gina Haller als Sascha mit einer Art Krankenschwester-Syndrom ihn retten, heilen, zu alter Herrlichkeit führen und heiraten will. Scheu probt sie Anmachgesten, testet Umgarnungen, nach einem lauten Glockenschlag taumeln beide, auch körperlich füreinander erregt, umeinander und miteinander zu Boden, sie schultert ihn, will ihn hinfort tragen, aber das Aufbäumen ist nur ein kurzes. „Fliehen wir nach Amerika“, sagt Sascha. „Ich schaffe es nicht mal bis zur Türschwelle“, antwortet Iwanow. Bald findet er es eh trivial und abgeschmackt, wie in einem Liebesschnulzenroman als alter Mann von einer jungen Frau reanimiert zu werden und wird erstmals von sich aus aktiv, entwickelt eine Haltung, nämlich so viel Anstand, Sascha nicht in das Grau-in-Grau seiner paralysierten Existenz zu ziehen – bringt sich um.
Die Bühne von Johannes Schütz erzählt bereits die Geschichte der Verlorenheit, inneren Leere und Unbehaustheit. Baumstammfragmente, Äste, Wurzelreste liegen herum, die letzten Besitztümer sind als Requisiten auf einem die Bühnenrückwand füllenden Regal ausgelagert, Iwanows Herrenhaus ist nur ein Metallquaderskelett, das Szene für Szene weiter zerlegt wird. Aber den Gang ins Freie wagt hier niemand.
Regisseur Simons hält die Zügel locker. Setzt in der ereignislosen Stille der erstarrten Gesellschaft in schöner Langsamkeit auf das erlesene Schauspielhandwerk des Ensembles, das nach der Pause auch ein wenig Humor einzuarbeiten und den Figuren im Jammerlappen-Modus mehr Kontur und Tiefe zu geben weiß. Programmatisch überpräsent dürfen nur die Erfolgsfetischisten agieren: Glücksspieler (Konstantin Bühler) und der auf kapitalistisches Gewinnstreben fixierte Borkin (Thomas Dannemann). Simons nimmt sich Zeit, das Elend resignierter Menschen redundant auszubreiten, scheint gar nicht genug davon zu bekommen, ohne dass er analytisch mehr erzählt. Aller feinsinnigen Aufführungskunst zum Trotz: Es nervt, wenn die gespielte in echte Langeweile übergeht.