Es mutet durchaus bedrohlich an, wenn Hekuba und die Ihren im Gleichgesang hadern, brüllen und mit ausschweifender körperlicher Gestik beten, vor allem, wenn sie von den im Hintergund der Bühne agierenden Musikern unterstützt oder vom personalstarken großen Klagechor (zwischenzeitlich vom Rücken der Zuschauertribüne her einstimmend: der koreanische Frauenchor Köln) begleitet werden. Doch sind es eher die Szenen der einzelnen Figuren, die wirklich anrühren: Julia Wieninger, die Hekuba, welche darum fleht, dass man ihr die getöteten Kinder wiedergebe, und Lina Beckmann als Andromache, Mutter des einzigen männlichen Erben Trojas, die zitternd ihren Sohn opfern muss, machen die Ohnmacht beinahe räumlich greifbar. In ihrer Verzweiflung reißen sich die Frauen die Kleidung vom Leibe, doch das ist gar nicht nötig, um ihre Schutzlosigkeit zu zeigen – diese wird bereits ausreichend demonstriert.
Talthybios verkündet den Frauen ihr Schicksal hier nicht persönlich mit einer Schar Soldaten im Rücken, sondern lässt seine Befehle überwiegend im kaltherzigen Roboterton durch ein großes Mikrophon erklingen, das bedrohlich über der Bühnenmitte hängt. So stark die Wirkung dieser Darstellung, die Männer – Poseidon (Robert Dölle), Talthybios (Nikolaus Benda) und Menelaos (Yorck Dippe) – spielen hier bloß Nebenrollen, auf die großen Frauen und ihr großes Leid soll man schauen. Wie willkürlich sie den Eroberern ausgeliefert sind, wird am überzeugendsten deutlich, als die Überlegungen über den Zeitpunkt der Steinigung Helenas zur Casting-Show werden: Lassen wir doch den Zuschauer entscheiden, wie es mit der „Kandidatin“ weitergeht.
Karin Beier hat das hohle Lied des Leids trefflich beschrieben. Der Takt der Szenen ist stimmig und die Inszenierung fokussiert die Figuren. Entsprechend reduziert sind Bühnenbild (Thomas Dreissigacker) und Kostüme (Maria Roers). Ein Krieg hinterlässt seine Opfer. Eine Diagnose, die nicht neu ist, und die an diesem Abend dennoch bewegt.