Die restlichen meist brutalen und in rasendem Tempo ausgeführten Tanzsequenzen zielen auf den Kern der Tragödie: „Es ist der Fluch!“. Wie fremdgesteuert schießen Körper quer durch das riesige Kölner Bühnenportal, werfen und schubsen sich zu Boden, zeigen die vom Veterinärmedizinersohn Vandekeybus bekannten, tierischen Bewegungsmuster (Füßeln wie Insekten, Hufe scharren wie Pferde) – und immer wieder Krämpfe. Verkrampfte Leiber, umhergetragen, verkrampfte Leiber, im Freeze am Boden liegend. Durchaus geschickt mischen sich Birgit Walter (Iokaste), Renato Schuch (als blinder Seher Teiresias) und besonders Torsten Peter Schnick unter die Tänzer, lassen sich anspringen, zuweilen in Hebungen einbinden. Vandekeybus höchstpersönlich gibt den Ödipus als selbstgefälligen Burschen, mit Hemd, Rock und Lederschuhen, der in sympathisch gebrochenem, dem Textfluss leider wenig zuträglichem Akzent seinen Part abliefert. Dieser Ödipus will keine Schuld eingestehen, gibt sich mit emporgestreckten Armen eher als umherhüpfender Rockstar, der sich von seinem Gefolge feiern lässt. Die finale Verzweiflung kauft man ihm, beim besten Willen, nicht ab.
Eine dreiköpfige Live-Band sorgt für die nötige Dröhnung, die Bühne ist zweifelsfrei mit einem Kunstwerk bestückt: Ein riesiger, mit bunten Stofffetzen beknüpfter Kreis, an dem die Tänzer wie Insekten hochkrabbeln, sich einhängen, im Knäuel kleben bleiben. Schicksalsrad? Oder doch Schutzanker? Die Österreichische Erstaufführung hatte für einen Skandal gesorgt, weil im Schlussbild ein Säugling symbolschwer in Bühnenmitte abgelegt wird, ehe ein kriechendes Tänzerknäuel ihn behutsam mit sich nimmt. In Köln stört sich bei der Premiere niemand daran. Es ist ein hübsches, doch fast zu sanftes Schlussbild: Der ausgesetzte Königssohn, vom Schicksal fortgespült.