In die Kabine gesperrt

Kathrin Röggla: die unvermeidlichen

Theater:Nationaltheater Mannheim, Premiere:06.02.2011Regie:Marcus Lobbes

Es gibt Tage, an denen man in den Dramaturgien so mancher Theater seufzen mag: „Ach, wäre doch dieser Uraufführungs-Kelch an uns vorüber gegangen!“ Eine Katerstimmung, wie sie nun nach den „unvermeidlichen“ in Mannheim geherrscht haben mag. Der flaue Schlussapplaus war nach dem 70-minütigen Quicky zu Ende, bevor er richtig begonnen hatte. Weder die mehrfach preisgekrönte Autorin Kathrin Röggla, noch der ebenfalls preisgekrönte Regisseur Marcus Lobbes stellten sich im Studio des Nationaltheaters dem Publikum.

Auch die sechs Schauspieler (Isabelle Barth, Sabine Fürst, Jenny König, Jacques Malan, Sven Prietz und Sascha Tuxhorn) konnten sich nicht verbeugen, da sie nach ihren letzten Worten von zwei Bühnenarbeitern in ihren großen Sperrholz-Sarg eingesperrt wurden, der zuvor eine karge Kabine für Konferenz-Dolmetscher mit sechs Monitoren davor symbolisieren sollte (Bühnenbild: Christoph Ernst). Insofern stimmig, als „die unvermeidlichen“ von den oft menschenunwürdigen und stressigen Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe bei internationalen Konferenzen handelt. Davon, dass sich die Politiker im Stacheldrahtverhau ihres Parlandos verfangen. Dass sie schreckliche Fach-Termini wie „Destrukturierungsgesetz“ oder „Transaktionssteuer“ benutzen. Dass man nach Vier-Augen-Gesprächen zur absoluten Diskretion gegenüber der Presse verdammt sei. Kurzum: Dass man als Konferenz-Dolmetscher zwar unvermeidlich sei, aber nur zum Fußvolk des Gipfel-Geschehens in der globalisierten Welt gehöre. Und in Krisengebieten gäbe es nicht einmal kugelsichere Westen für die Übersetzer.

Die Crux an dem Stück: Es entbehrt jeder Dramatik, selbst dann, wenn die Chinesin gemobbt wird oder sich der Spanier als alter Hase aufplustert. Bei der Lektüre glaubt man zunächst, es könnten sich Chor-Szenen entwickeln, aber dem ist nicht so. Jeder lamentiert für sich allein, bekommt aber trotzdem kein individuelles Profil. Der eigentliche dramatische Widerpart des Dolmetscher-Kollektivs – sprich: die Politiker, Referenten und Konferenz-Experten – bleibt unsichtbar wie Godot. Entstanden sind „die unvermeidlichen“ als Auftragswerk der „Frankfurter Positionen 2011“. Warum man diese Petitesse nun nach Mannheim geholt hat, ist nicht klar. Schwamm drüber.