Enders entlockt dem Esslinger Ensemble, das sich neugierig auf Zellers vielschichtige Sprachschattierungen einlässt, Charakterporträts. Ralph Hönicke als atemloser Workaholic rennt dem Schein einer Karriere hinterher. Klug zeigt der Schauspieler, wie ein Mensch im Takt der Termine zerfällt. Lothar Bobbes Mu-seumswärter schafft sich seine eigene Wirklichkeit in Bildern verblichener Epochen. Draußen wartet auf den Mann mit der Thermoskanne und dem Pausenbrot das Nichts.
Ein schriller Tinnitus-Ton und Tangoklänge auf dem Akkordeon, von Ulrich Schlumberger lustvoll interpretiert, spiegeln Lust und Angst. Blitzschnell wechseln die Gefühlsebenen. Mit Chrysanthemen- und Lilienkränzen hat Nana Hülsewig einen Bühnenraum geschaffen, der Krankenhausflur und Leichenhalle zugleich ist. Da liegt Renate Winkler als Mutter in einem Stoffsarg, der ihren ganzen Körper umhüllt. Mit zitternder Stimme stammelt sich die Frau, die ein Zug überrollt hat, ins Leben zurück. Doch das, was einmal ihre Identität war, zerfällt im Erinnerungskitsch. Margarita Wiesner als betörendes Sterntalerkind schließt ihr die müden Augen. Dass Eva Christina Zellers komplexe Texte durchaus eine politische Dimension haben, zeigt Beatrice Boca als türkisches Gretchen. Die Beichte ihrer jungen Frau, die am Leben zwischen den Kulturen scheitert, ist stark. Mit feinem Gespür meistert die Schauspielerin den Balanceakt zwischen persönlicher Betroffenheit und Zeitgeist.