Das Grau, das alles verschlingt, setzt sich auch im Bühnenbild von Chamier fort, mehrstufige, „felsartig“ wirkende Stufenpodeste, an den Seiten jeweils in zwei Ebenen übereinander je fünf senkrechte Neonröhren. Alle Spieler sind ständig auf der Bühne, wer nicht spielt, wird zum beobachtenden Zuschauer. Aber es gibt nur ausnahmsweise sichtbare Reaktionen auf das, was in der Szene geschieht. Ins Zentrum sollte sich eigentlich der junge Verteidiger des Felix Jeiter spielen, der mit der Vorführung der Opfer sie noch einmal erniedrigt, aber Jeiter agiert sehr steif, jenen dämonischen Zug seiner Rolle, die die größten Mörder als tapfere Patrioten zu verkaufen versucht, kaum streifend. Es scheint, dass Küster alle Darsteller*innen, die ja ein graues Kollektiv bilden, zur Zurückhaltung aufgerufen hat. In der Tat sind emotionale Ausbrüche genau gesetzt (und werden gleich wieder eingefangen), wie auch die Musik, die wohltuend nur an wenigen entscheidenden Situationen aufklingt, aber Anfang auch live, von Miller auf ihrer Klarinette.
So bleibt auch der Ausbruch von Oliver Moumouris als der Jurist Ernst Janning verhalten, eher dozierend, als er endlich sein Schweigen bricht, weil hier eine Zeugin, von Barbara Dussler anrührend ausgespielt, wieder vom Verteidiger würdelos vorgeführt wird. Bei diesem Auftritt wird offensichtlich, worauf Küster hinauswill: die Argumentationsketten, die Rhetorik des „stolzen Deutschen“ offen zu legen, also eine Konzentration auf die Sprache. Das schafft das Ensemble – hier wären noch zu nennen: Achim Hall, Dietmar Kwoka, Ulf Deutscher, Martin Theuer, Markus Michalik und Stephanie Biesolt, aber das geht auch auf Kosten der Spannung. Kürzungen der Dramaturgie wären angesagt, verwunderlich auch, wie wenig Informationen das Programmheft von Marcus Grube bietet.
Die Angeklagten werden zu lebenslänglicher Haft von Haywood verurteilt. Da existiert schon die Berliner Luftbrücke (Beginn am 24.Juni 1948), der „kalte Krieg“ beginnt. Da wird auch der Ankläger unter Druck gesetzt: Man braucht nun dringend die Deutschen als Bündnispartner gegen das sowjetische Bollwerk. Ach ja, die meisten verurteilten Angeklagten wurden nach kurzer Zeit wieder entlassen und konnten ihre furchtbare Arbeit an den Gerichten der Bundesrepublik fortsetzen, so die bittere Erkenntnis vermittelnd, dass Recht und Gerechtigkeit nichts miteinander zu tun haben.