Foto: Eine Mischung aus Komödie und Klassiker steht am Theater Basel auf dem Programm. © Thomas Aurin
Text:Joachim Lange, am 5. November 2023
Zur Musik von Herbert Grönemeyer und in der Inszenierung von Herbert Fritsch gibt es am Theater Basel mit „Pferd frisst Hut“ eine slapstickartige Oper, die in der Mischung funktioniert. Die komödiantische Jagd nach dem Hut wird abgelöst durch grandiose Soli.
Herbert-Grönemeyer-Fans hoffen auf ein neues, als solches erkennbares Songschmuckstück, wenn ihr Held die Musik zum Stück liefert. Sei es zu Goethes „Faust“ oder wie jetzt zu Eugène Labiches Klassiker „Ein Florentinerhut“. Und sie bekommen es. Auch Herbert-Fritsch-Fans wissen genau, was sie – in Variationen aber unverkennbar – erwartet. Es ist eine Art von motorischem Extrakt der Vorlagen. Vom selbstverfassten Nonsens bis zur Wagner-Oper. Seit der Ex-Volksbühnenstar die Seiten gewechselt hat und ganz vorne in der Zunft der Regisseure mitmischt, ist das so. Mit einer stilisierten Ästhetik, artistischer Slapstickmotorik, mit bewährten und auch schon etwas abgenutzten Gags. Bei Fritsch laufen sie noch gegen jede Wand, kriegen immer wieder eine abrupt geöffnete Tür mit voller Wucht ins Gesicht oder schauen dem Mann auf die Hose, wenn irgendwas auch nur „klein“ genannt wird. So in der Art.
Eine Mischung Herbert
In Basel probiert man jetzt die Schnittmenge zwischen diesen beiden Herberts aus. In einer Ausführlichkeit, bei der auch das Amüsement nicht ohne Anstrengung zu haben ist. Man muss sich schon bewusst – jenseits von postdramatischem Betroffenheitstheater – von der Ursubstanz des Theaters unterhalten lassen wollen, um hier gut bedient zu werden. Fritschs legendäres „Murmel Murmel“ an der Volksbühne war dafür der Auftakt für ein wuchernden Werkverzeichnis, das inzwischen auch die Oper einbezieht. Manchmal endet Fritschs Kopfsprung in bekannte Stücke (wie bei Rossinis „Barbier“ an der Staatsoper Wien) mit einer scheppernden Bruchlandung. Dann wieder gelingt es ihm, mit einem für seine Methode scheinbar nicht geeigneten Stück (wie ausgerechnet Wagners „Fliegender Holländer“ an der Komischen Oper in Berlin) unerwartet treffsicher zu faszinieren.
Vertonte Komödie
Eugène Labiches „Ein Florentinerhut“ ist aber per se eine Steilvorlage fürs Fritschtheater. Und auch für Grönemeyers hingeschlenkerte, komödienpassfähige Sentenzen. Hier sind das Tempo und die Verwirrung angelegt und warten nur auf die Turbobeschleunigung und ein Ensemble, das mitspielt. Für seine schon zweite Inszenierung dieses Klassikers sind die 16 Songs und einige Zwischenmusiken die Grönemeyer beigesteuert hat das Sahnehäubchen. Thomas Meadowcroft hat sie fürs große Orchester arrangiert und Thomas Wise und das Sinfonieorchester Basel sorgen dafür, dass es tatsächlich nach einer musikalischen Komödie klingt. Eine Komödie, die irgendwo zwischen Vaudeville-Show, Musical und Boulevardkomödie mit Musik Blinde Kuh spielt, und mal das eine, mal das andere erwischt.
Zwischen bewährten und abgenutzten Gags. Lässt sich das Publikum mitreißen? Foto: Thomas Aurin
Der Titel „Pferd frisst Hut“, bringt die Vorgeschichte auf den Kalauerpunkt und liefert das erste Bild zur Ouvertüre. Die klingt noch bewusst großformatig. Der Bühnenraum in dem dann die Jagd nach einem Ersatzhut beginnt (und der wie immer auch vom Regisseur stammt), ist bunt und schief, hat 10 Türen und eine Drehtür im Zentrum oberhalb einer gelben Treppe. Der Besitzer des Hut fressenden Pferdes, Fadinard, muss Ersatz beschaffen, denn der Hut gehörte einer verheirateten Frau mit eifersüchtigem Ehemann. Der Hut-Fress-Unfall passierte bei einem Schäferstündchen der Hutbesitzerin mit ihrem Lover. Dass der Pferdebesitzer gerade heiraten will und die gesamte Verwandtschaft schon in den Taxis auf den Startschuss für die Feierlichkeiten wartet, gehört zu der Kombination von Unwahrscheinlichkeiten, aus dem der Treibstoff für Komödienchaos gemacht ist.
Ironische Höhen
Und das entfesseln Fritsch, Grönemeyer und die fabelhafte Crew samt Chor nach Kräften. Wenn die unter die etwas lang geratenen gesprochenen Passagen gemischten Songs direkt nach Grönemeyer klingen (wie bei Christopher Nells Fadinard und bei Sarah Bauerett als seiner rau röhrenden, Hüte machenden Ex Clara) ist es eine wahre Freude. Bei den eher im gängigen Musicalsound daherkommenden Songs ist es vor allem die ironische Überspitzung in die Fritsch seine Interpreten treibt, die die Nummern eine rettende Handbreit über den Reim-dich-oder-ich-schlag- dich-Klippen der Grönemeyertexte schweben lassen. Für sich genommen wären die meisten Bum-bum-bum oder La-la-la gerahmten Sprüche als Songlyrik nur schwer auszuhalten. Weil sie aber allesamt eine so perfekte Nonsenssohle aufs Parkett legen, muss man in den etwas überlangen drei Stunden selbst über Klassiker herzlich lachen.
Mit wunderbaren Soli. Wie denen von Florian Anderer und Gottfried Breitfuss mit ihren köstlichen Baroninnen von Champigny. Oder der Gag mit der Uniformmütze, die immer wieder weiterhüpft, wenn sie ihr Besitzer (wunderbar: Florian Anderer) aufheben will. Oder die zwei Herren in der Badewanne. Hier sind es der Hutbeschaffer Fadinard und der eifersüchtige Ehemann der Hutbesitzerin (nur in Badehose, aber mit vollem Körperseinsatz: Raphael Clamer). Fehlte nur noch Loriots Quietsche-Ente. Hier bleibt jeder denkbare Komödien-Gag und Klamauk-Kalauer drin. Und das ist über weite Strecken auch gut so.