Foto: Tanja Merlin Graf taucht aus dem Bühnenboden auf. © Felix Grünschloß
Text:Michael Kaminski, am 11. Oktober 2025
Kann Künstliche Intelligenz die Erziehung eines Kindes übernehmen? Dieser Frage geht das Team rund um Regisseurin Christina Tscharyiski am Schauspiel Frankfurt nach. In der Uraufführung von Anja Hillings Stück „Spiel des Schwebens“ konfrontiert das Ensebmle sein Publikum mit einer dystopischen, aber nicht ganz so weit entfernten Zukunftsidee. Dabei verliert es stellenweise die für den Text nötige Spielintensität.
Eltern, die immer nur das Beste für den Nachwuchs wollen, bewirken oft keineswegs Optimales. Da helfen dann weder autoritäre noch antiautoritäre Erziehung, weder Psychotherapie noch Internat. Selbst Künstliche Intelligenz garantiert keinen Erziehungserfolg. Jedenfalls nicht unbedingt den von den Eltern gewollten. Anja Hilling bringt in den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels ein Durchschnittspaar auf die Bühne, das sich beim Thema Edukation der Künstlichen Intelligenz „Kali“ anvertraut. Mit Resultaten, die sich von der Zwiespältigkeit menschlicher Erziehungsdirektiven – hier denen der Eltern Vesna und Nils – nicht grundsätzlich unterscheiden.

Tanja Merlin Graf, abgeschottet von ihren Eltern. Foto: Felix Grünschloß
Irgendwann sind die Eltern getrennt. Wodurch bleibt unklar. Tochter Miko wächst ohne sie auf. Doch hilft ihr der Wille zur Verwurzelung. So dräut ihr denn der Wald, in den sie die Künstliche Intelligenz beordert, nicht allein mit Gefahren. Vielmehr erstarkt Miko im Forst und gewinnt Statur. Hilling bedenkt die auf ihre Kindheit zurückblickende junge Frau mit einem sich durch den gesamten Mittelteil der fünfundsiebzigminütigen Novität erstreckenden Riesenmonolog. Final findet die Tochter zwar nicht die Eltern wieder, dafür begegnen sich Mutter und Vater auf der Palliativstation. Sie als Pflegerin, er als Patient.
Schattenreich
Was Hillings Stück an Handlung vermissen lässt, ersetzt meist ihr hochpoetisches Idiom. Vom Assoziationsstrom des Großmonologs geht Sogkraft aus. Die – wenn auch nur kurze – Wiedervereinigung der Eltern am Lebensende des Vaters geht ans Gemüt. Regisseurin Christina Tscharyiski verlagert dieses letzte Beisammensein als Schattenspiel beinahe schon in den Hades. Synchron scheint Platons Höhlengleichnis auf. Mit ihm die Bedingtheit aller Erkenntnis, die Künstlicher Intelligenz eingeschlossen. Weshalb auf Letztere bei der Erziehung Nachgeborener zu setzen, die menschliche Fehlbarkeit nur scheinbar tilgt. Ansonsten baut Tscharyiski wesentlich auf die ihr von Hilling in reichem Maß zur Verfügung gestellte Sprache.
Gehemmtheit
Zwar dringt all dies über die Rampe, freilich aber nicht immer mit der verdienten Intensität. Über die Spielenden scheint eine Dunstglocke von Befangenheit gestülpt. Gleichermaßen gilt das für Rokhi Müller in der Rolle Kalis, die Vesna von Manja Kuhl und Stefan Grafs Nils. Sie alle sprechen, als fremdelten sie mit Hillings Text und hätten mehr Probenzeit benötigt. Ihrer Figur bedeutend annähert sich die Miko verkörpernde Tanja Merlin Graf. Anfangs begnügt sich Bühnenbildnerin Marlene Lockemann mit einem roten Vorhang als Folie für das Erziehung und Erziehungsziele erörternde Ehepaar. Später gibt ein angedeuteter und von einer Doppelhelix durchzogener Wald Raum für den Monolog der Tochter. Miriam Draxl steckt die Personage in leicht Futuristisches.