Trailer-Screenshot „National Theatre Live“

Kino: National Theatre Live

Theater im Kino? Oper vielleicht, aus der MET, aus Paris oder London, vielleicht auch Ballett, aber Schauspiel? Wer schaut sich sowas wohl an? Und überhaupt: Das gibt es doch gar nicht!

Gibt es wohl. Seit einigen Jahren existiert eine schöne, zarte Pflanze, die im Verborgenen blüht, hierzulande kaum beworben – und doch nicht mit leeren Sälen geschlagen. National Theatre Live heißt die Reihe, präsentiert neue Inszenierungen des National Theatre in London und mittlerweile, weil es eben ganz gut läuft, mit der Unterbezeichnung „Encore“, auch eine kleine Reihe von bis zu 15 Jahren alten Produktionen. Vor einigen Wochen kam ich in Köln in den Genuss von Danny Boyles „Frankenstein“-Produktion aus dem Jahr 2011, bei der sich – im Theater – Jonny Lee Miller und Benedict Cumberbatch mit den Hauptrollen abwechselten. In der Aufzeichnung fürs Kino ist Cumberbatch als Monster zu erleben und macht schon die ersten 10 Minuten, in denen er sich sprachlos müht, den aufrechten Gang zu erlernen, zu einem kleinen künstlerischen Ereignis.

Boyle erzählt, durchaus mit eigenen Akzenten, einfach Mary Shelleys Geschichte, hat ein tolles Ensemble dafür und findet fantasievolle, opulente und großformatige Bilder, die sich aber nie als Dekoration vor die Geschichte stellen. Durch das intensive, direkte Spiel und die unaufdringlichen Konzentration auf das Hauptthema (mit der Frage nach dem richtigen Umgang mit Natur und Wissenschaft sind wir ja nicht wirklich 200 Jahre weit entfernt) schießen einem die aktuellen Diskurse wie von selbst ins Hirn und müssen nicht explizit auf der Bühne verhandelt werden. Dem wachen Publikum reicht die Widerspiegelung konträrer Positionen in der Haltung der Figuren. Das könnte manchmal vielleicht doch etwas tiefer greifen, etwas kantiger sein, aber es ist ein großes, sinnliches Vergnügen und ein kleines Bündel an Denkanstößen.

National Theatre Live ist immer abgefilmtes Theater. Und die Kameraleute und Bildregisseure versuchen manchmal ein wenig zu sehr, genau das vergessen zu machen. Aber für Freunde heutiger Schauspielkunst lohnt sich die Reihe eindeutig. Sie ist in Deutschland bisher nur in einer Handvoll Kinos zu erleben, aber die Frequenz steigt eindeutig. In der zweiten Julihälfte etwa gibt es Shakespeare („Henry V“ mit Kit Harrington, 14.7.)  und „Prima Facie“ von Suzie Miller (21.7.), unter anderem in den Cineplex-Kinos in Köln und Mannheim, in Halle (Saale) läuft Pinters „No Man’s land“ mit Patrick Stewart und Ian McKellen und in Neufahrn bei Freising gibt es (auch im Cineplex Kino, am 24.7.) „The Book of Dust“ nach Philip Pullman, wo auf der Bühne spektakulär eine apokalyptische Parallelwelt bespielt wird.

Informationen zu dem Programm der Reihe und Vorstellungen in deutschen Kinos, sowie eine umfangreiche Trailer-Show gibt es HIER

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