Abschlussbild nach der Preisverleihung

Heidelberger Stückemarkt

Endlich war die Welt wieder zu Gast am Theater Heidelberg. Die Freude darüber war auf der Preisverleihung zum Abschluss des zehntägigen Festivals allen Beteiligten deutlich anzumerken. Die Jury, die Gäste aus Spanien und von anderen deutschen Theatern, die eingeladenen sechs Autorinnen und Autoren des deutschsprachigen Autor*innenpreises und das Publikum, das zahlreicher erschien als vor der Pandemie, feierten das gemeinsame Theatererlebnis und den Austausch darüber. Das Besondere des Stückemarkts am Stadttheater in der Neckarstadt ist der Dreiklang aus Nähe zur Stadt, die das Festival zu einem Publikumsfestival macht, aus fachlicher Konzentration auf neue Stücktexte und drittens dem theatralen Dialog mit dem jeweiligen Gastland. Gerade jetzt weitete der Blick auf spanisches Theater die Perspektiven über den derzeit so vieles überlagernden Krieg im Osten Europas hinaus.

Vor der Preisverleihung am späten Abend stand der letzte Tag des Stückemarks ganz im Zeichen des spanischen Theaters. In einer Gesprächsrunde wurde deutlich, wie viel fragiler die Rahmenbedingungen für Theaterschaffende in Spanien sind; und wie bedeutsam das Thema Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft und Theaterszene. Ein Beispiel für das neue feministische Theater Spaniens war denn auch der „Othello“ des Teatro Nacional Sao Joao in der Regie von Marta Pazos. Desdemona prägt das Spiel, indem sie den mächtigen und zugleich aufgeblasenen Männern (die am Schluss nackt dastehen) ihre Stimme leiht. Das für sie tödliche Ende kann sie auf diese Weise auch nicht verhindern, die Welt der Männer aber in Frage stellen. Hauptfiguren sind die Frauen, Jago wird ebenfalls von einer Frau gespielt. Der dauerhaft musikalisch unterlegten Shakespeare-Adaption über 90 Minuten gelingt es, mit Shakespeare ein so artifizielles wie gegenwärtiges Spiel um gefährliche männliche Begrenztheiten zu entwickeln.

Auch das zweite Gastspiel am 8. Mai fokussiert ein brennendes Thema der Gegenwart auf spanische Verhältnisse. Und die Migration aus Afrika in der Exklave Melilla betrifft auch das EU-Land Deutschland. Die Agrupación Senor Serrano aus Barcelona beschreibt durch live gefilmte Objekte wie Zeitungsseiten oder kleine Tierfiguren auf Kunstrasen das ikonografische Foto (von 2014) von einem Golfplatz, über dessen hohen Zaun (die EU-Außengrenze) einige Menschen klettern. Verbunden mit Szenen aus Hitchcocks „Die Vögel“ entspannt die Compagnie in einem multimedialen Puppenspiel sehr vielschichtig das Thema Migration und verbindet es mit irrationalen Ängsten und – thematisch etwas weitgegriffen, im Detail aber sehr geistreich – der durch Menschen bedrohten Welt der Vögel und der Tiere insgesamt.

Dass auch das Stück Leo Meiers, „zwei herren von real madrid“ in Spanien spielt, mag ein Zufall sein, nicht ganz zufällig dürfte jedoch sein, dass er sowohl den Publikumspreis wie den SWR2 Hörspielpreis erhielt. Den Autor*innenpreis gewann Ivana Sokola für „Pirsch“, den internationalen Autor*innenpreis María Vielasco für „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“. Ans Schauspiel Köln ging der Nachspielpreis für die Inszenierung von Thomas Melles „Ode“, der von einer Jugendjury vergebene Jugendstückpreis an das Schauspiel Hannover für „Vater unser“.  Bei spanischen wie deutschen Stücken und Inszenierungen zeigte der Stückemarkt die aktuellen Theater-Themen: Geschlechterfragen, Gewalt und Zweifel an der Rolle des Menschen als Krone der Schöpfung.