Foto: Naffie Janha, Isabell Antonia Höckel © Sandra Then
Text:Anne Fritsch, am 2. Juni 2025
Zur Eröffnung des WELT/BÜHNE-Festivals für internationale Gegenwartsdramatik am Münchner Residenztheater inszeniert Jakab Tarnóczi die Uraufführung von Asiimwe Deborah Kawes „Das Gelobte Land“. Ein eindrücklicher und enorm aktueller Text über ein Leben ohne sicheren Aufenthaltsstatus in den USA.
2020, im weltweiten Corona-Lockdown, saß die ugandische Autorin Asiimwe Deborah Kawe in den USA fest. Donald Trump war zum ersten Mal Präsident geworden; Uganda hatte seine Grenzen geschlossen. Sie hatte Angst, keinen Platz mehr zu haben; war von ihrer Familie getrennt und begann, über Geopolitik nachzudenken, über Afrika und über ihren Platz als Schwarze Frau in dieser Welt. 2022 reiste sie nach München, um ein Arbeitsstipendium am Residenztheater anzutreten. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine konfrontierte sie erneut mit dem Zerbrechen von Sicherheiten. Sie begann, ihr Stück „Das Gelobte Land“ zu schreiben.
Nun wurde das Stück zur Eröffnung des WELT/BÜHNE-Festivals für internationale Gegenwartsdramatik am Residenztheater uraufgeführt. Und der Text wirkt, als wäre er gerade jetzt geschrieben worden, als direkter Kommentar auf die erneute Präsidentschaft Donald Trumps, auf sein radikales Vorgehen gegen Einwander:innen, auf die geplanten Massenabschiebungen.
Ein Bilderbogen der Heimatlosigkeit
Asiimwe Deborah Kawe lässt in ihrem Stück die Krankenpflegerin Achen ihre Geschichte erzählen. Ein Interview, das Achen im Aufenthaltsraum einer US-amerikanischen Abschiebehaftanstalt mit einer Journalistin führt, bildet den Rahmen. Von dort aus springt die Autorin zeitlich und räumlich durch die Geschichte von Achen seit ihrer Ankunft in Amerika. Sie verschneidet die Szenen zu einem bedrückenden Bilderbogen der Heimatlosigkeit, des Nicht-Dazugehörens. Achen, deren gesamte Familie in Uganda ermordet wurde, kam 2002 zu einem Seminar über „HIV und Reproduktionsgesundheit von Frauen in Subsahara-Afrika“ nach Baltimore. Und blieb, weil es in ihrer Heimat nichts mehr gab, zu dem sie zurückkehren wollte.

Liliane Amuat, Carolin Conrad, Isabell Antonia Höckel. Foto: Sandra Then
Sie blieb als illegale Einwanderin. Auch wenn das titelgebende „gelobte Land“ schon auf den ersten Blick eher einem lieblosen Motel ähnelt als einem Sehnsuchtsort. Bühnenbildner Botond Devich hat ein breites niedriges Gebäude in den Marstall gebaut, darin zwei Motelzimmer mit gläsernen Fronten sowie eine Rezeption, die auch als Einreise-Schalter am Flughafen dient. Es wirkt wie das Zitat eines Edward-Hopper-Gemäldes, das Zitat eines nostalgisch verklärten Amerikas.
Eine Gesellschaft, die sich verhärtet
Der ungarische Regisseur Jakab Tarnóczi springt gekonnt durch die Zeiten und Orte, an denen Achen hofft, anzukommen, und die sie doch immer wieder verlassen muss. Weil die vermeintliche Freundin, die sie bei sich aufnimmt, sie nur ausnutzt. Weil die alte Dame, die sie gepflegt hat, stirbt. Weil von jeder Hoffnung immer nur Hoffnungslosigkeit bleibt. Wie in einem Kaleidoskop fallen die einzelnen Szenen an ihren Platz, setzen sich zusammen zum Bild eines Lebens, in dem nichts sicher ist außer der andauernden Unsicherheit. Isabell Antonia Höckel spielt diese Frau mit einer Mischung aus Zartheit und Entschlossenheit, als eine die stolz und unabhängig sein will und doch immer wieder auf die Hilfe von Fremden angewiesen ist. Wenn sie Joan Baez „There But For Fortune“ singt, ist da auf einmal all der Schmerz, den sie in ihrem Alltag so wirksam verbirgt.
Liliane Amuat, Naffie Janha, Niklas Mitteregger und Carolin Conrad spielen die anderen. Die, die Achen zur Seite stehen und die, die sie verraten. Die Figuren, die Asiimwe Deborah Kawe geschrieben hat, sind alles andere als eindimensional. Die Geschichte ist verwinkelt, die Beziehungen sind komplex. Da ist zum Beispiel jene Kat, die sich während jenes Seminars eine Zukunft mit Achen in Afrika erträumte und sie, als sie sich Jahre später wieder begegnen, an die Behörden ausliefert. Vielleicht aus nie verwundener Enttäuschung darüber, dass Achen damals einfach abgehauen ist. Vielleicht, weil sich die Zeiten geändert, die Fronten in der amerikanischen Gesellschaft verhärtet haben.
Vom Einwanderungs- zum Abschiebungsland
Dieses Stück erzählt davon, wie eine zwar in einem Land arbeiten und Steuern zahlen kann, ihr Platz aber auch nach 15 Jahren unsicher bleibt und ohne gesicherten Status. Als Achen mit einem Amerikaner verheiratet ist, der kein gekaufter „Fake-Ehemann“ ist; als sie eine Familie hat und so was wie ein kleines Glück; als sie endlich kurz vor ihrem Greencard-Bewerbungsgespräch steht, wird sie verhaftet.
Solche Geschichten müssen in diesen Tagen erzählt werden, mit aller Empathie und Ehrlichkeit. Das Theater muss Dramatiker:innen aus anderen Ländern und Kontinenten zu Wort kommen lassen. Es muss auch ein Raum für die Stimmen sein, die sonst nicht gehört werden. In einer Videobotschaft erklärt die Autorin, die leider nicht anwesend sein kann, dass sie nicht schreibt, weil sie weiß, wie alles ist oder sein sollte. Sie wolle vielmehr in ihren Texten untersuchen, wie die Welt ist und wie sie sein könnte. Sie möchte zu einer Konversation einladen in einer Welt voll von Hass, den Menschen hinter der Nachrichtenmeldung sichtbar machen. Das dürfte ihr mit diesem Text gelungen sein. Er macht an einem Einzelschicksal deutlich, was das heißt: Das gelobte Land ist keines mehr. Das ehemalige Einwanderungsland USA ein Abschiebungsland.