"Die Liebe Geld"

Geld oder Liebe?

Daniel Glattauer: Die Liebe Geld

Theater:Komödie im Bayerischen Hof, Premiere:09.03.2022Regie:Peter M. Preissler

Herr Henrich braucht Geld. Doch der Bankautomat spuckt keines aus. Seit fünf Tagen schon. Was ist da los? Um diese Frage geht es in „Die Liebe Geld“, der neuen Komödie von Daniel Glattauer, die Peter M. Preissler nun in der Komödie im Bayerischen Hof inszeniert hat. Der Bestseller-Autor Glattauer („Gut gegen Nordwind“) ist geübt darin, pointenreiche Dialoge zu schreiben, die manch unerwartete Wendung nehmen wie das Leben seiner Figuren. Nun widmet er sich also dem Thema Geld, genauer gesagt: der Ohnmacht des Kunden gegenüber der Allmacht der Bank. Vielleicht hatte er Brecht im Hinterkopf, der schon in seiner „Dreigroschenoper“ fragte: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Der Mann also will sein Geld „jetzt“, die Mitarbeiterin der Bank dagegen verwendet Worte wie „längerfristig“ und „nicht verfügbar“. Sein Geld sei „angelegt“ und „unterwegs“, es „arbeite“ für ihn, kurz: es ist gerade nicht „anwesend“. Herr Henrich versteht die Welt oder zumindest die Bank nicht mehr, will wissen: „Woran arbeitet es denn?“ Darauf hat keiner eine wirkliche Antwort, stattdessen geht es nun zunehmend um sein Privatleben: Was hat er ausgegeben? Wofür? Was bereitet ihm Stress? Wie läuft es daheim?

Dichtende Männer?

Schließlich erzählt er von der stressigen Hausrenovierung, von unzuverlässigen Handwerkern und daraus resultierendem Ehestress. Für den zehnten Hochzeitstag nun braucht er dringend ein versöhnungsstiftendes Geschenk, sprich: Geld für ein Collier „mit Steinchen“. Dass ausgerechnet der Bankdirektor zu immateriellen Gaben rät, ist einigermaßen überraschend. Glattauer will einiges an Denkmustern auf den Kopf stellen, bleibt aber dennoch an tiefsitzenden Klischees hängen. So bleiben die beiden Frauen leider bloße Stichwortgeberinnen für die Männer: die eine, Bankangestellte, übergibt an ihren Chef, als der aufgebrachte Kunde nicht mehr verschwinden will; die andere, Ehefrau, darf überhaupt erst zum Finale auftauchen, als Empfängerin des Hochzeitstagsgeschenkes. Dass der Bankdirektor, der sich selbst als „Gefühlsmann“ bezeichnet und Gedichte schreibt, schwul ist, bedient ebenso die Muster wenig einfallsreicher Boulevardkomödien wie die daraus resultierende Homophobie seines Kunden. Mit einem Schwulen auf dem Sofa sitzen? Lieber nicht. Ein echter Mann, der seiner Frau ein Liebesgedicht schreibt? Auf gar keinen Fall.

Michael von Au, der mit rotem Kopf über die Bühne stürmt und sich schon mal am Plastikefeu festklammert, um nicht ohne Geld gehen zu müssen, bleibt konstant auf einem Erregungsniveau: einem hohen. Er ist von Anfang an so aufgebracht, dass eine Steigerung kaum möglich ist. Axel Pape dagegen ist als Bankdirektor die Entspanntheit pur. Ihn kann nichts und niemand aus der Ruhe bringen, schon gar kein aufgebrachter Kunde, der sich erdreistet, ausgerechnet von ihm Geld zu wollen. Es langweilt ihn schlicht, das Thema Geld, er möchte sich doch lieber mit den schönen Dingen beschäftigen, der Dichtung, der Kunst, der Musik. Die beiden Frauen, Bianca Hein und Julia Uttendorfer, versuchen tapfer, sich gegen die ihnen von Text und Regie verordneten weiblichen Rollenbilder zu stemmen. Viel Raum bleibt ihnen aber nicht.

Geborgenheit statt Geld?

Natürlich kommt das Gedicht schließlich mitsamt Gefühl gut an bei der „Ullimaus“, wie die Frau schnell von allen genannt wird. Natürlich ist der dichtende Direktor doch auch ein recht gerissener Geschäftsmann, der eine „Bank der Zukunft“ entwirft, in die die Kunden ihr Geld abgeben und dafür „Geborgenheit“ bekommen. Am Ende findet sich Michael von Au zusammengebrochen auf dem Boden wieder, bedeckt von Schildern mit Bankwerbesprüchen: „Sie leben. Wir kümmern uns um die Details“, steht da. oder: „Eine Bank fürs Leben.“ – Von Brechtscher Gesellschaftskritik oder Kafkaesker Bürokratiegroteske aber bleibt Glattauer weit entfernt. Vor allem im ersten Teil stehen sich kritische Gedanken und das übergroße Bedürfnis nach Wortwitzen diametral gegenüber, behindern sich gegenseitig eher als dass sie sich bereichern. Die Gratwanderung zwischen Kritik und Klamauk gelingt nicht immer, manch ein Kalauer stürzt ab ins Bedeutungslose. Es ist bezeichnend für diese Art Komödie, dass es Luxusprobleme sind, die hier verhandelt werden. Wenn Herr Henrich sein Geld nicht bekommt, kann er seiner Frau kein Steinchen-Collier kaufen. An echte, gar existenzielle Geldsorgen zu rühren, wäre ja auch nicht so komisch.