Vor der Bühne bläht sich ein Vorhang aus blauer Ballonseide. In bizarr bunten Kostümen betreten die Schauspieler mit roten Clowns-Nasen die Bühne, schauen irritiert und staunend ins Publikum. „Hm. Hu. La. Au.“ Sie stimmen einen sinnfreien Sprechgesang an, bohren in der Nase. Das ist der Anfang von Stephan Kimmigs „Clavigo“-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen. Gemeinsam mit dem Ensemble des koproduzierenden Deutschen Theaters Berlin, der theateraffinen Musikerin Pollyester, Bühnenbildnerin Eva-Maria Bauer und Kostümbildnerin Johanna Pfau hat Kimmig sich Goethe vorgenommen und in luftiger Zirkusatmosphäre inszeniert.
Die kugelrunde Glitzerfrau tritt ans Mikro: „Das Werk muss alle bezaubern.“ Susanne Wolff spielt Clavigo, der bei Kimmig eine Frau ist. Wie überhaupt alle Rollen gendermäßig vertauscht sind. Hier ist der Mann der Verführte und Verlassene, die Frau die Unabhängige, die Karrieristin ohne Skrupel, die den Liebenden abwirft wie ein Kostüm aus der letzten Kollektion. Diese Clavigo will von den Massen gefeiert und geliebt werden, eine Selbstdarstellerin des neuen Jahrtausends. Susanne Wolff lässt die Brüchigkeit der aufgesetzten Selbstsicherheit immer wieder aufblitzen. Für die Liebe zu dem einen Menschen, wie Marie (Marcel Kohler) sie gerne hätte, hat Clavigo keine Kapazitäten. Etwas zu ausgedehnte Videos (Julian Kribasik, Lambert Strehlke) erinnern mit düsteren Bildern an eine Liebe, die keine Zukunft hat. Weil es in Clavigos Leben eben nur Platz für Clavigo gibt: „Mir geht in der Welt nichts über mich: Denn Gott ist Gott, und ich bin ich.“ Moral? Ist was für andere. Ein Mann an ihrer Seite? „Ein bisschen Goethe, ein bisschen Bonaparte, so soll er aussehn, der Mann auf den ich warte“, summt Clavigo mit France Galle.