Foto: „Die Flut”: Szene mit Magdalena Wabitsch, Marco Sykora und Johanna Dähler © Susanne Reichardt
Text:Manfred Jahnke, am 2. März 2020
Charles Way, der britische Theatermacher, hat mit „Die Flut“ eine moderne Verhaltensstudie zur biblischen Geschichte der Sintflut geschaffen. Die Mutter hat Angst-Träume vom Untergang der Welt. Vom Vater wird sie für krank erklärt und die beiden Kinder müssen sich zwischen Vater und Mutter entscheiden. Die aber hat inzwischen ein Segelboot gekauft und als die Wasser immer mehr steigen, setzen sie sich ins Boot, im letzten Augenblick auch der Vater. Nach dem Regen folgt der Wind, dann eine heiß brennende Sonne, schließlich landen sie auf einer wunderschönen Insel. Während Mutter und Kinder eine neue Welt schaffen wollen, geht der Vater auf die Jagd, erschießt ahnungslose Hasen und als andere Menschen sich der Insel nähern, will er zur Waffe greifen…
So weit Charles Way. Am jungen theater heidelberg verzichtet Ulrike Günther in ihrer Fassung auf die Geschichte des (alten) weißen Mannes, schafft stattdessen eine neue Rahmenhandlung, die das Parabelhafte des Stücks zu betonen versucht, wie im Programmflyer nachzulesen ist. Martha, Rebecca und Tony treffen sich regelmäßig, um die Geschichte von der Flut zu spielen. Aber Tony hat heute keine Lust, er will lieber an seiner Biografie auf seinem Laptop schreiben, oder, wenn doch, die böse Mutter spielen. Diese Rolle lässt sich Martha nicht nehmen, aber Tony lässt sich dann doch auf das Spiel ein, wenn es heute ein gutes, ein utopisches Ende gibt. In diesen Rahmen werden Bruchstücke der Geschichte von Way einmontiert, der Regen, der Traum, das Segelboot, der Wind, die Sonne, die Insel Utopia.
Der Ort, den Annika Lohmann geschaffen hat, ist eine Mischung aus Spiel- und Müllplatz. Rechts steht ein achtstufiges Podest, auf dem Plastikmüll angehäuft ist, aber auch Schwimmwesten oder eine Windmaschine liegen herum, links mittig steht ein Gerüst mit Hängematte, das von der Form her einem Schiff ähnelt. Dann gibt es leere Getränkekisten, einen Bildwerfer und weitere Requisiten, die im Spiel gebraucht werden. Nach hinten wird die Bühne durch einen Rundhorizont abgeschlossen. Hier agieren die strenge Martha der Johanna Dähler, die immer die Fäden des Spiels in der Hand zu behalten und das „Böse“ ihrer Rolle durchzusetzen versucht, Magdalena Wabitsch als fröhliche Rebecca und Marco Sykora als nörgelnder Tony. Was die drei da veranstalten, sind sozusagen Katastrophenübungen zur Klimakatastrophe. Gegen Ende hin kommt der Zeigefinger hinzu, auch wenn das „making of“ im Zentrum der Inszenierung steht, die Sounds von Christopher Scheuer und Friedrich Stockmeier werden über sichtbare Tabletbedienung eingespielt. Im Zentrum steht ein alter Bildwerfer aus den 70er Jahren: Da kann man Wasser auf die Platte träufeln und damit eine Sintflut an den Rundhorizont projizieren, oder mit Leinöl die Sonne.
Eigentlich macht es Spaß, den Drei bei ihrem Spiel zuzuschauen, die in grellbunten, nicht ganz realistischen Kostümen (ebenfalls Annika Lohmann) stecken. Aber je offensichtlicher die fatale Verwechslung von „Parabel“ und „Lehrstück“ durch die Regie und/oder Dramaturgie wird, um so mehr bedauert der Rezensent den Verlust der Mehrdeutigkeit der Vorlage. Dazu stellt sich die Frage, was macht es eigentlich, wenn alles nur Spiel ist? Gibt es da eine Verbindlichkeit? Genügt da der zeigefingerhafte Appell, das „Böse“ in der Gesellschaft zu überwinden?