Dann öffnet sich die Szene, Richard und Corinne sind zu sehen. Er in lässigem Freizeitlook, sie in einem schicken Hemdkleid mit eleganter Hochsteckfrisur im Stil der 1960er. Die vielen, zum Teil aufeinander geschichteten Paletten deuten an, dass der Umzug keineswegs abgeschlossen und das neue Haus noch nicht fertig eingerichtet sind. Ob es das jemals sein wird? Alles hier hat provisorischen Charakter.
Auch die Ehe von Richard und Corinne ist nicht mehr im Lot. Durch die scheinbar belanglose Alltagskonversation klingen immer wieder spitze Untertöne durch, die die Unzufriedenheit Corinnes deutlich werden lassen. Denn ihr Mann hat diese fremde junge Frau mit ins Haus gebracht, die er angeblich bewusstlos auf der Straße gefunden hat.
Dabei positionieren sie sich immer mehr gegeneinander, eine Konfrontation, die die Kameraführung durch eine kompromisslose Schnitt- und Gegenschnitttechnik hervorhebt. Gereizt weicht Richard den bohrenden Fragen Corinnes nach der jungen Frau aus; viel zu fadenscheinig, um glaubwürdig zu sein. Die psychologisch feinfühlige Regie von Caro Thum steigert die Spannung immer mehr, Jana Gwosdek und David Prosenc umkreisen sich immer dichter in ihren Dialogen.
Die Situation spitzt sich zu, als Rebecca (Magdalena Pircher) erwacht. Mit herausfordernder Souveränität provoziert die attraktive junge Frau Corinne und treibt sie so in die Enge, dass diese sich vor der Fremden rechtfertigt. Auch hier ist die Kameraführung der rote Faden in der sich immer dynamischer entwickelnden Konstellation der Charaktere: Sie umkreist sie ebenso wie die beiden Frauen sich belauern. Auch Rebeccas Beziehung zu Richard ist nicht frei von Spannungen, sie verletzt ihn mit einer Schere. Der Wechsel der Kameraeinstellungen zwischen Totale, Halbtotale und Close up macht das Beziehungsgeflecht transparent, in dem letzten Endes jeder sich selbst der Nächste und die wirkliche Nähe längst verloren gegangen ist, da keiner seine Ichbefangenheit überwinden kann. Die ländliche Idylle wird zum Alptraum, Gespräche werden zu Verhören oder Bekenntnissen und als alles beherrschende Gefühle treten Verlustangst und Entfremdung zutage in diesem neurotischen Panorama.
„Auf dem Land“ ist bis zum 08.08.2021, 20:00 Uhr, auf stream.theater-koblenz zu sehen.