Kaum eine Oper ist so mit ihrer Entstehungsgeschichte verknüpft wie „Der Kaiser von Atlantis“ von Viktor Ullmann. Der österreichische Komponist schrieb sie 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt für genau die Instrumente, die man zur Verfügung hatte – darunter Saxofon und Banjo. Musikalisch gibt es mit einem verfremdeten Deutschlandlied, dem von den Nazis häufig missbrauchten Lutherchoral „Ein‘ feste Burg“ und dem doppelten Tritonus als Charakterisierung des Kaisers viel Doppelbödiges zu entdecken. Die Anspielungen auf die NS-Diktatur bei diesem „Spiel in einem Akt“ waren der Lagerleitung zu offensichtlich, so dass die Uraufführung nach der Generalprobe verboten wurde. Ullmann gelang es, die Partitur aus dem Lager zu schmuggeln. Er selbst und der Librettist Peter Kien wurden im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und in der Gaskammer getötet. Sein 1975 in Amsterdam uraufgeführtes Musiktheater ist auch ein Mahnmal. Nun hat sich die Opera Factory Freiburg der knapp einstündigen Oper angenommen und sie um fünf Lieder Viktor Ullmanns ergänzt. Außerdem komponierte der Karlsruher Komponist Anno Schreier einen „Atlantis“ genannten Prolog und Epilog, so dass der Abend im Freiburger E-Werk rund eineinhalb Stunden dauert. Klaus Simon (musikalische Leitung) und Joachim Rathke (Regie und Kostüme) wollten mit diesen Eingriffen aber nicht nur mehr Spielzeit gewinnen, sondern auch eine Distanz schaffen zum Stück, um es zeitloser zu machen und es „aus dem Korsett des bloßen politisch korrekten Abarbeitens der unrühmlichen Geschichte der Nazizeit zu befreien“, wie die beiden im Programmheft darlegen.
Der Abend beginnt stark. Die Bühne ist leer und dunkel, Nebel zieht auf. Aufsteigende Akkorde am Klavier (Marie-Luise Klewer) werden von Liegeklängen in Streichern und Bläsern eingefroren. Eine Frau mit Pistole dreht bedrohlich ihre Runden, ehe sich der Vorhang an der Bühnenrückseite öffnet und ein fahrendes Stahlgerüst auftaucht, das an einen Wachturm erinnert (Bühne: Melanie Kintzinger). Streben werden ausgefahren, die Leinen vertäut. Die Klangfläche des Prologs bereitet das Fundament, auf dem nun mit dem markanten Trompetenmotiv und dem einsetzenden Tutti die Oper beginnt, die durch die Figur des Lautsprechers angekündigt wird. Nikolaus Meer stellt mit schwerem, dumpfem Bassbariton die Akteure vor, ehe er seinen Regenmantel ablegt und mit Silberstock und Lackschuhen zum Tod mutiert, der sich mit dem Harlekin (Keith Bernard Stonum) über das leidvolle Leben unterhält. Währenddessen hält der Kaiser (Ekkehard Abele) die Stellung im Machtzentrum dieses Turms und verteilt mit herumfliegenden Papierbögen seine Befehle. Mit dem Trommler (Sibylle Fischer) und dem Bubikopf (Lena Kiepenheuer) ist das Personal komplett und die Geschichte, die von Machtverlust und der Vision einer friedlichen Zeit erzählt, kann beginnen.