Lutz Salzmann als jüngster Faust in Weimar: Die Einstandsinszenierung des neuen Intendanten Hasko Weber.

Unentschieden

Johann Wolfgang Goethe: Faust I

Theater:Deutsches Nationaltheater Weimar, Premiere:06.09.2013Regie:Hasko Weber

Mephisto schaut der Verführung zu, die er selbst angestiftet hat. Wie ein Regisseur sitzt er auf einem Stuhl vor der Bühne, auf der Faust und Gretchen mit sich, der Welt und ihren Gefühlen ringen. Und wenn sie dabei mal ins Stocken geraten, springt der Teufel (Sebastian Kowski) auch mal auf die Bühne und greift ein. Das ist eine der stärksten, eindrücklichsten Szenen der „Faust“-Inszenierung, mit der Hasko Weber seine Intendanz am Deutschen Nationaltheater Weimar begonnen hat. Davor und danach aber gibt es auch viel Jux zu sehen.

Auf einem hellen Holzpodest vor rotem Vorhang (Bühne: Oliver Helf) spricht zunächst Gretchen (Nora Quest) ganz ernsthaft die Zueignung, ehe die Gestalten des Vorspiels auf dem Theater die Bühne entern. Die Lustige Person (Birgit Unterweger) in schwarzgoldenem Body und schwarzem Tütü, der Theaterdirektor (Elke Wieditz) im Frack, der Dichter (Krunoslav Sebrek) mit weißer Toga, Rauschebart und rollendem „R“ – das ergibt eine Mischung à la „Comedy meets Josef Kainz“. Und nach diesem turbulenten Auftakt gehört die Bühne für den ersten Teil dieses ersten Teils Faust (Lutz Salzmann) fast ganz allein.

Hasko Weber lässt hier die Szenen und Figuren ineinander fließen, keine düstere Studierstube, sondern ein heller Holzraum ist die Umgebung für den grübelnden, mäkelnden, zweifelnden, zornigen Faust, der anfangs wie aufgebahrt auf einem Metallpodest liegt und Tabletten futtert. Die Szene Wagners (ein dauergrinsender Ami-Boy), der Osterspaziergang – alles nur angetippt und angespielt. Was bleibt, ist ein selten unterbrochener Riesen-Monolog, der aber nicht wirklich fesselt und in dem selbst Mephisto fast zur Randfigur wird – und das will bei der Bühnenpräsenz von Sebastian Kowski etwas heißen. Doch mehr und mehr übernimmt der Teufel die Regie, durch einen hingefetzten Auerbachs Keller mit Sombrero-Hüten und Bananenschalen-Gag hin zur Gretchen-Tragödie.

Hier hat, nach der Pause, die dreistündige Inszenierung ihre stärksten Momente. Die Bühne ziert nun ein gemaltes, romantisch-kitschiges Portal, auf dem Gretchens „Wie weh – wie weh- wie wehe“ als Schrifttafel prangt und in dem stückchenweise ein barocker Frauenakt gezeigt wird. Hier sitzt dann Mephisto vor der Bühne und schaut dem eher düstern-drängenden denn verführerischen Faust bei seinem Tun zu. Zögert Gretchen (Nora Quest wunderbar zwischen Scheu, Stärke und Trotz) zu lange, springt Mephisto in die Szene und öffnet das Kästchen, damit sie endlich den Schatz sieht. Der (und der Tod ihres Mannes) läßt die derb-drastische Marthe (Birgit Unterweger) erst in Ohnmacht fallen, dann vor Begierde die Beine gar nicht mehr zusammenbekommen. Auch hier lässt Weber die Szenen ineinander fließen, rasche Wechsel, hier zwei Sätze aus der Szene Am Brunnen, ein wenig mehr aus dem Dom, wo Gretchen panisch immer wieder und wieder vom Stuhl springt. Aber dann bekommt wieder das Ironisieren der Sätze, kommen Schlagertexte hinein und die Walpurgis-Nacht, vor die Schlußszene im Kerker gestellt, ist nur ein wildes Video-Geflimmer mit den Darstellern dieser Inszenierung. Die kann sich nie so recht zwischen Jux und Ernst, Comedy und Tragödie, Persiflage und Pathos entscheiden und bleibt eben das: unentschieden.