Das Parkett wirkt zerrupft, Reihen und Plätze fehlen, im Rang sind die meisten Plätze gesperrt; das größte deutsche Schauspielhaus bietet Platz für etwa 300 (anstelle der fast 1200 Plätze bis vor einem halben Jahr). Doch sonst hat sich nicht viel geändert; die Uraufführung von „Reich des Todes“ von Rainald Goetz dauert gut vier Stunden und bietet dabei eine Pause. Auch auf der Bühne ist kein großer Wandel festzustellen. Ein großes Ensemble von 14 Protagonisten samt Tänzern und einem kleinen Orchester von fünf Musikern spielen groß auf. Die (von Karin Beier und anderen) in großen Jelinek-Inszenierungen der letzten Jahre entwickelte Form des großflächigen, episch-bilderreichen Frontaltheaters bewährt sich auch in dieser ersten Premiere eines neuen Stücks von Rainald Goetz seit 1999. Ein verändertes Spiel ist kaum festzustellen, Maske trägt der Präsident (Wolfgang Pregler) nur, wenn er, sie vor die Augen ziehend, vom von ihm ausgelösten Grauen nichts mehr mitbekommen will. Und auch thematisch bietet der lange Abend nichts wirklich Neues.
Viel Zeit gelassen hat sich Rainald Goetz bei der Verarbeitung des zentralen Themas in „Reich des Todes“. Es geht um die unmittelbaren Folgen der Anschläge des 11. September 2001, nicht zufällig lag das Premierendatum genau 19 Jahre später: Die vielleicht zentrale Figur ist Vizepräsident Selch (alias Cheney), der gemeinsam und zugleich gegen den Präsidenten Grotten (Bush junior) mit bürokratischen Strebern die Hölle von Abu Ghraib im Irak zu verantworten hat. Geradezu manisch kreist das dramatische Epos um die ungenannte Folter im Namen von Freiheit und Fun. Zwischen Washingtoner Amtsstuben und Gefängnisberichten werden die ehemals ikonographischen Medienbilder des Grauens, etwa von einem Gefangenen auf einer Holzkiste mit spitz zulaufender Kapuze über dem Kopf, teils beschreibend, teils fotografisch aus der Versenkung unseres Vergessens geholt. „Reich des Todes“ ist aber nicht nur Anklage der Inhumanität der ehemaligen Großmacht USA; vielmehr stellen Goetz und Regisseurin Karin Beier (Bühne: Johannes Schütz, Video: Voxi Bärenklau) die Bilder, Berichte und Dialoge in historische Zusammenhänge (mit Folter-Bildern aus der Kunstgeschichte), verbinden sie andeutungsweise mit Nazi-Gewalt und installieren gegen Ende ein „Camp Justice“ als fiktives Tribunal über die schuldigen Männer (und wenigen Frauen) aus Washington.