Unheil

Felix Landerer: Acts of Resistance and Repair

Theater:Theater Bielefeld, Premiere:19.01.2024 (UA)Regie: Felix Landerer

Felix Landerer am Theater Bielefeld verspricht „Acts of Resistance and Repair“ als Tanz. Vergeblich bleibt das Stück durch die überwiegende Schwere am Boden.

Vom Stehen ins Fallen, von der Reihe zum Geeier, von Einheit zur Vielheit zum Verschwinden. Dann wieder: Auftauchen, Losgehen. Also raus und wieder rein, vorwärts, rückwärts und in Kurven. Kippen, schlingern. Das neue Stück des zu dieser Spielzeit neu angetretenen Tanzchefs am Theater Bielefeld, Felix Landerer, verkörpert das Problemhafte. Was die „Acts of Resistance and Repair“ sein sollen oder könnten, muss sich ja auf etwas beziehen, dem man widersteht und das man repariert. Es bleibt unbenannt. Es wird nicht ausgesprochen.

Um das Nicht-Aussprechbare, tief drinnen Gefühlte, gehe es ihm immer wieder, sagte Landerer, seit Jahren ein gefragter Choreograph, in früheren Interviews. Die guten Momente in diesem Stück, das er in Kooperation mit seiner eigenen kleinen freien Hannoveraner Kompanie schuf, von der drei Tänzer das Bielefelder Ensemble auf dreizehn aufstocken, geben etwas wieder von dem Drang, etwas mitzuteilen, ohne sich verständlich machen zu können. Vielleicht auch, ohne es selber zu verstehen. Dies wird naturgemäß eher in Duetten und Solos erkennbar als in Unisono-Gruppensequenzen.

Krise ohne Ende

Wie ausgesetzt und übriggelassen steht jemand inmitten eines Gruppenwirbels. Oder weit draußen oder lehnt krumm an einer Wand. Oder die Körperglieder biegen sich auf und schief: der Mensch als Unform. Einer hält den anderen an der Hand, am Nacken, an der Hüfte, scheint zu helfen, zu halten oder zu schieben, dann greift der andere oder die andere und zieht und rettet oder schafft es nicht. Sie sinken, sie rollen, sie purzeln, lehnen, liegen, keine Berührung ist von Dauer. Sie erkennen einander alle nicht, lieben schon gar nicht.

Hinfallen und Aufstehen ist ein häufiges Motiv der Vorstellung. Foto: Jubal Battisti

Sind sich zwei mal ganz nah, und aus den herübergereckten Armen könnte eine Umarmung werden, bleibt der Kontakt kalt und ungelenk. Auch Wut scheint unbekannt. Am Ende hangelt sich Alexandre Nodari am Rücken des stabil stehenden Aron Nowak hoch, klemmt sich an ihn wie an einen Baum im Hochwasser. Zum Erbarmen. Beide bleiben allein.

Acts of Dispair

„Resistance“ ist vielleicht das Aufstehen nach dem vielen Hinfallen oder Hinsinken, vielleicht das Weitertaumeln, obwohl kein Ziel in Sicht ist. Als sei der Boden nicht plan und sicher, sondern eine riesige Wippe, von einer bösen Kraft geschaukelt. „Resistance“ als Widerstehen könnte das Dennoch des Sisyphos sein, den einst Albert Camus beschrieb. Doch stellt man sich hier keinen der Stolpernden als glücklichen Menschen vor. Stattdessen wiederholen sie Phrasen, um sich an etwas zu halten oder drücken Fingerspitzen ans Brustbein, als wollten sie das Herz freigraben. Ist da eins?

Die Arme fungieren vielfältig beim Tanz. Foto: Jubal Battisti

Das Problem des Stückes ist, dass die Schwere wie ein Schlamm alles grundiert und zu wenig Nuancen hat. Anders als das Licht, das Fabian Grohmann der weißen Bühne von Britta Bremer im Tor 6 strichweise spendiert wie mit Röhren über der Bühne und ihren Seiten, kühl-gleißend weiß bis düster, dann bläulich und gegen Ende ins fiese Gelbe sinkend. Die Hölle.

Auf der Suche nach Gleichgewicht

Zum Anschwellen eines Schreisounds, das Komponist Christof Littmann oft wiederholt, wie um das Publikum in Krise zu versetzen, formiert sich immer wieder eine Gruppe, erst als Reihe, dann als Pulk mit nach vorn ragenden Armen. Er treibt zurück und vor und zurück, wie von Wogen bewegt, mit immer kleinerem Ausschlag. Bis zum Stand, wenn die leeren Hände auf Schultern von Kollegen landen. Oder die schweben an leicht gebogenen Armen über den Köpfen wie über unglücklichen Ballettmäusen. Als sei das Hohle nicht die Form dieser Höhlenbewohner und -bewohnerinnen, ihr eigentlicher Begriff vom Hiersein. Andere Male dienen Arme als Stangen, mit denen die dunkelrot und grau und etwas zu schluffig gekleideten Menschen das Gleichgewicht zu halten suchen. Sie verlieren es aber. Dauernd.

So ließe sich das unschöne Wort Krisenmodus bebildern. Das Wiederherstellen oder Wiederganzsein ist gestrichen. So lange, bis es nicht einmal mehr als Wunsch existiert.