Auch wenn Demis Volpis erstes Handlungsballett als Chefchoreograph an der Rheinoper nur eine Stunde misst: Hinterher sprudeln einem Kopf und Herz über vor Eindrücken von humoristischen Miniaturszenen und liebevoll entworfenen Charakteren, bei denen jeder und jede eine eigene Tanzsprache auf den Leib geschneidert bekommen hat. Mit „Geschlossene Spiele“ nach einem Schauspiel des argentinischen Schriftstellers Julio Cortázar konnte Volpi nun endlich seinen gebührenden Einstand in Düsseldorf geben, was ihm in der letzten Spielzeit verwehrt war. Das künstlerische Team an seiner Seite muss hier gleich zu Beginn mitgenannt werden, denn die Bühne von Heike Scheele verzaubert ebenso wie die Kostüme von Katharina Schlipf und die Lichtregie von Bonnie Beecher.
Irgendwo in Buenos Aires
Wir befinden uns in einem Lokal irgendwo in Buenos Aires zur Zeit der Militärdiktatur: holzvertäfelte Wände ohne Fenster, eine Schiebetür lässt sich nur gelegentlich öffnen, die Uhr steht still, Schatten von Ventilatoren und Neonröhren verbreiten Zeitlosigkeit, ein Pförtner langweilt sich und schon bei Eintritt des Publikums (mit Maske im vollbesetzten Saal!) sitzt da ein kreideweißer Mann mit Melone, kippelt filigran und jongliert seinen Hut auf dem Gesicht, hat vor sich auf dem Tisch ein ebenso kreideweißes Arrangement von Gegenständen: Glas, Pfeffermühle, Flasche. Dieser Mann in Weiß (Orazio Di Bella) wird zum Strippenzieher und Namensgeber des Abends, denn „Geschlossene Spiele“ sind Eröffnungsvarianten im Schach. Später wird er die Zeit sekundenlang im Tacet anhalten, alle Figuren neu postieren – und final den König vom Tisch stoßen…
Doch die Schachmetapher ist nur eine von vielen Ebenen, die Demis Volpi hier anlegt. Vor allem entwirft er meisterlich eine magische Welt, in der Unbekannte, Suchende, Unglückliche aufeinandertreffen: Da sind zwei Kellner mit Schnauzbart, die in synchronen Trippelschritten seitwärts für den ersten Kollektivlacher im Publikum sorgen und Tische und Stühle zurechtrücken; da ist eine amerikanische Touristin (Simone Mess), blondgelockt mit Cowboyhut und Jeans, die die Männer zu verzücken sucht und später, umgekleidet, ein fulminantes Solo auf Spitze hinlegt. Es gibt weiterhin das Revoluzzer-Paar Gina und Franco, die zu Trommelwirbel in hippen Turnschuhen tanzend Flugblätter verteilen und ebenso schnell wieder verschwunden sind. Da wäre der unbekannte Kunde mit Koffern (Dukin Seo), die als Metapher des ewig Reisenden von ihm grazil wie erbarmungswürdig mit allen Gliedern balanciert, geschleppt und geschoben werden. Und es tritt ein unsympathischer Gast namens Lopez (Eric White) auf, der tief gebückt einen ihm zugewiesenen Tisch nach Krümeln abschnüffelt, nervös knaupelt, in eckigen und ungelenken Schrittfolgen sein unsympathisches Erscheinungsbild unterstreicht.