Szene mit Gesa Köhler, Alrun Hofert, Felix Bold, Robert Will, Niklas Hugendick-Braasch, Paula König und Isabella Knöll

Starke Bilder für den Hass

Rainer Werner Fassbinder/Mark Ravenhill: Shoot/Katzelmacher/Repeat

Theater:Schauspiel Frankfurt, Premiere:20.05.2016Regie:Susanne Wolff

Wie aufgescheuchte Puppen staksen die Darsteller durch den Raum. Sie tragen die Röckchen von Balletttänzerinnen, sie bewegen sich wie in einem Elektro-Club. Die Musik wechselt: lauter Indierock, Techno-Beats, die Beatles. Das Publikum wurde durch einen Seiteneingang in den Raum hinter der Bühne gelassen. Die Zuschauer stehen, die Darsteller bewegen sich zwischen ihnen. Plötzlich erfährt man, dass ein Anschlag geschah, am Abend zuvor. Ein Schauspieler wurde brutal geschlagen, das Bild seines blutverschmierten Gesichts wird an die Wand projiziert. Wer etwas gesehen hat, soll sich melden. Die Aufregung wird schnell zur Panik, der Ruf nach Brandmarkung kommt auf, die „schwarzen Schafe“ sollen markiert werden. Hier wird nicht lange gefackelt, hier geht es zur Sache.

Die Szene stammt aus dem Stück „Wir sind die Guten (Shoot / Get Treasure / Repeat)“ von Mark Ravenhill. Der britische Autor schildert darin, wie nach den Londoner Terroranschlägen von 2015, bei denen 56 Menschen ums Leben kamen, die Hysterie die Oberhand gewinnt. Die Angst vor dem Terror zerstört die Liberalität. Kombiniert werden Ravenhills kurze Skizzen mit Rainer Werner Fassbinders Film „Katzelmacher“, der von einem griechischen Gastarbeiter erzählt, der in ein bayerisches Provinzkaff kommt und mit Anfeindungen zu kämpfen hat. „Katzelmacher“ machte Fassbinder bekannt, er brachte nicht nur ihn, sondern auch die Darsteller Harry Baer, Irm Herrmann und Hanna Schygulla aufs Parkett. Inszeniert hatte Fassbinder seinen Stoff, gemeinsam mit Peer Raben, zunächst für die Bühne, am Münchener Action-Theater.

Der Doppelabend in Frankfurt ist ein Debüt: Die Schauspielerin Susanne Wolff führt hier zum ersten Mal Regie. Wolff, die im Ensemble des Deutschen Theaters in Berlin engagiert ist, die für ihre Darstellung in dem Film „Mobbing“ 2013 den „Deutschen Fernsehpreis“ als beste Darstellerin erhielt, hat dafür mit jungen Schauspielstudenten von der ortsansässigen Hochschule für Darstellende Kunst und Musik gearbeitet. Von der Energie, von der Spielwut ihrer Darsteller lebt die Inszenierung. Es wird geflucht und geschrien, die Aggressionen haben etwas Bedrohliches, können einen gar nicht kalt lassen. Es ist ein ungewöhnlicher Abend, eine vor Kraft strotzende Inszenierung.

Nach dem Auftakt im Nebenraum wird Fassbinders Stück auf einer schmalen Bühne erzählt. Den bayerischen Dialekt (Fassbinder war von Marieluise Fleißer inspiriert, deren Stücke er ebenfalls am Action-Theater zur Aufführung brachte) beherrschen die Darsteller gut, Tim Werths gibt den Griechen Jorgos beeindruckend lakonisch. Und man ist erstaunt, wie aktuell der Stoff aus dem Jahr 1968 heute wieder ist. Die Angst vor dem Fremden, die Aggressionen gegen die Migranten, der destruktive Furor der „besorgten Bürger“: All das schilderte Fassbinder eindringlich, ohne dabei ein kitschiges Gegenbild vom guten, fehlerlosen Ausländer zeichnen zu müssen.

In ihrer Inszenierung findet Susanne Wolff starke Bilder für den Hass, der in der Mitte der Gesellschaft ausbricht, für die Gewalt, für die Vorurteile und das Misstrauen. Ein Baseballschläger tanzt an zwei Metallketten über dem am Boden liegenden Jorgos. Mit üblen Worten beschimpfen die Darsteller ihre eigenen Porträtbilder, die links und rechts an den Bühnenwänden hängen. Paula König schreit eine Textpassage aus Allen Ginsbergs Langgedicht „Howl“ heraus, genauso wie es die Punk-Ikone Patti Smith zuvor auf Konzertbühnen getan hat. Das hat eine Wucht und eine Direktheit, die einen als Zuschauer förmlich angreift. Vielversprechender kann ein Regiedebüt kaum sein.