Szene aus "Wiedersehen mit Herrn Bello"

Sprechender Hund oder Mensch?

Paul Maar: Wiedersehen mit Herrn Bello

Theater:Württembergische Landesbühne Esslingen, Premiere:25.11.2017Regie:Jan Müller

Jan Müller inszeniert „Wiedersehen mit Herrn Bello“ von Paul Maar in Esslingen

1982 war Paul Maar als Hausautor an der Württembergischen Landesbühne Esslingen engagiert. Seitdem ist die Landesbühne ihm treu geblieben. Und nun erst recht, denn am 13. Dezember feiert der Autor seinen 80. Geburtstag. Dazu richtete Jan Müller eine Fassung des schon 2008 erschienenen Kinderbuches „Wiedersehen mit Herrn Bello“ zur Uraufführung ein, nachdem in Esslingen schon zuvor die beiden ersten „Bello“-Bücher auf der Bühne zu sehen waren.

Herr Bello ist ein Hund, der aus einer zerbrochenen Flasche eine blaue Flüssigkeit aufschlapperte und sich in einen Menschen, den Herrn Bello, verwandelte. Aber dann ging der Trank aus und er wurde wieder Hund. Da man aber herausgefunden hatte, dass Herr Melchior, der inzwischen in Marburg lebte, diesen Trank gemixt hatte, fuhr Max, der beste Freund des Herrn Bello, dorthin, aber die Versuche gelangen nicht ganz. Bello kann zwar sprechen wie ein Mensch, aber er ist ein Hund. Nachdem nun Max Vater eine wichtige Zutat gefunden hat und Max gerade von Selina, die er gerne zur Freundin hätte, enttäuscht ist, fährt er nun erneut nach Marburg. Im Zug werden sie von einem Zirkusdompteur belauscht, der dann den Herrn Bello raubt. Der aber weigert sich zunächst, sprechend aufzutreten, aber Paloma, die Tochter des Zirkusdirektors, überzeugt ihn, dass nur, wenn er auftritt, Max ihn wiederfinden kann. So kommt es denn. Und da Melchior inzwischen den richtigen Trank gefunden hat, kann er Bello eingeflößt werden und er verwandelt sich in seinem Käfig wieder in Herrn Bello. Eine Geschichte also von Freundschaft, von den Schwierigkeiten der Magie, von Gier und Schmerz, die Paul Maar in seinen drei Büchern humorvoll und hintergründig beschreibt.

Wenn man sich in den Esslinger Zuschauerraum setzt, sieht man auf ein bezauberndes Bühnenbild (Ausstattung: Franz Zaulek), eine nach vorne gezogene Fläche und zwei Wänden, die im rechten Winkel zueinander stehen, auf denen viele wunderschöne Zeichnungen zu sehen sind, ein gemütlicher Tisch, ein Teller mit Kuchen, Schubladen, die während des Spiels einfach abgenommen werden und als Requisiten genutzt werden. Aber es gibt da auch noch andere Zeichnungen, von einem roten Auto beispielsweise oder einem Pferd und auf einer Leiste oben sind Modelle von schönen Häusern zu sehen. Auf zwei großen, grauen Flächen auf diesen Wänden werden dann später zauberhafte Videos projiziert, die Georg Lendorff produziert hat, wunderbare kleine Zeichentrickfilme, die die Wirkung des Bühnenbildes verstärken und Möglichkeiten schaffen, zwischen Szene, Video und Schattenspiel zu changieren. Ein Höhepunkt ist dabei, wenn der Dompteur Edgar, von Timo Beyerling schön fies mit einer riesigen Plastiktolle gespielt, Bello ausführt, die Landschaften vorbei rasen, sich farblich vermischen und am Ende in ein Schattenspiel übergehen.

So, wie Bühnenbild und Videoprojektionen schnelle Verwandlungen ermöglichen, so arbeitet auch die Inszenierung von Jan Müller mit einem ungeheuren Tempo. Die Figuren werden alle in karikaturhafte Klischees gezwungen, die vom Ensemble mit großer Lust ausgespielt werden, da läuft Wolfgang Boos als Onkel Hastore zum großen Klischeeitaliener auf (bei Maar ist es eigentlich jemand, der in die französische Fremdenlegion geflüchtet ist und zurückgekehrt nach Deutschland aus Angst nun den Franzosen gibt, aber psychologische Tiefen interessieren Müller nicht), wahre Paradenummern. Oder wie Stefanie Friedrich mit riesigem Ballkopf und Mikrohall aus Herrn Melchior ein Monster machen muss, Galina Freund als Maike Lichtblau grotesk ausgestattet, der Max von Daniel Großkämper als strohblonder Jüngling daher schreitet oder der Hund von Daniel Elias Böhm in braun-grünem Plüschkostüm auf allen Vieren herumkrabbelt (das erinnert verdammt an überwunden geglaubte Tierdarstellungen aus dem Weihnachtsmärchen der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts). Nur Stefanie Friedrich gewinnt für ihre Figur der Paloma realistische Züge, so dass sie sich schnell die Sympathie des Publikums erspielt.

Aber merkwürdig: trotz des Bühnenbilds mit all seinen Möglichkeiten, trotz des zum Spiel aufgelegten Ensembles, trotz der vielen Regieeinfälle und Slapsticks: der Funke springt nicht über, weil zum einen meiner Phantasie als Zuschauer kein Raum gelassen wird, zum anderen ich als Zuschauer unterfordert werde. Warum muss ich der Kopie eines Hundes zusehen, der auf allen vier Beinen herumrennen muss? Warum, um mit Craig zu sprechen, keine Kunst? Wenn da ein Mensch bellt, warum soll ich nicht erkennen, dass da ein Hund von einem Menschen dargestellt wird? Es kommt auch noch hinzu, dass da, wo Paul Maar in seinem Buch von Emotionen wie Angst und Wut erzählt, diese in der Fassung von Jan Müller einfach weggespielt werden. Durch die Form wird eine hohe Distanz hergestellt. Schade.

Nachdem mit zunehmender Spieldauer eine leichte Unruhe zu spüren war: tosender Schlussapplaus.