Foto: Die Uraufführung von Katja Brunners "Die Hölle ist auch nur eine Sauna" am Stuttgarter Theater Rampe © Luzie Marquardt
Text:Elisabeth Maier, am 9. Oktober 2014
Einsam steht das Kind, das zwischen den Geschlechtern lebt, auf der Bühne. Der Hermaphrodit schreit sein Leiden aus sich heraus. Unten im Kellerverlies kauert die Mutter. Ihr Körper, mit Schaumgummifleisch künstlich aufgeblasen, zittert vor Angst. Auf packende Bilder spitzt Marie Bues ihre Inszenierung von Katja Brunners „Die Hölle ist auch nur eine Sauna“ zu. Die Uraufführung der Intendantin am Stuttgarter Autorentheater Rampe setzt die Sprachgewalt der 23-jährigen Schweizerin überzeugend in Szene, die 2013 den Mülheimer Dramatikerpreis gewann. Dabei konzentriert sich die Regisseurin auf die inneren Kämpfe der Menschen, ohne dabei die philosophische Tiefe Brunners einzudampfen.
Ihr komplexer Text, der sich simplen Erklärungsmustern sperrt, streift eine Fülle gesellschaftlicher Diskurse. Der Hermaphrodit oder Zwitter, das doppelgeschlechtliche Wesen, wird in ein Gefängnis hineingeboren. Da drängen sich Medienbilder des Inzest-Vaters Fritzl auf, der seine Tochter missbrauchte und sie mit Familie jahrelang gefangen hielt. Die tiefe Unterbühne Indra Naucks ist ein Angstraum. Menschen sterben da ebenso wie ihre Sprache. Oben leben die Universaldörfler, die in futuristischen Helmen und Pelzmänteln die Bühne entern. Manchmal erliegen Bues und Nauck der Versuchung, das ebenso betörende wie verstörende komische Potenzial Brunners ins Lächerliche zu zerren. Wenn Janine Kreß aus der Rolle fällt und dem Publikum ihre Probleme mit dem Text mitteilt, mag das Lacher ernten. Der sonst hoch konzentrierten Regie tut das Abbruch. Solche Ausrutscher fangen die Schauspieler auf. Gerade Kreß meistert die schwierige Mutterrolle, überladen von negativen Projektionen, mit Distanz.
Emma Rönnebeck schöpft aus Brunners ebenso zärtlicher wie wütender Sprachkunst tiefe Momente. Als Hermaphrodit, der um eine geschlechtliche Heimat ringt, steht sie im futuristischen Kampfanzug in einer orangefarbenen Gebärwanne. Video- und Sounddesignerin Kat Kaufmann projiziert ein Mädchen auf die schwarze Wand, dazu erzählt eine Kinderstimme vom aussichtslosen Kampf. Hilflos krallt sich die Schauspielerin in die fiktive Mauer hinein. Solche Bilder berühren zutiefst. Evamaria Salcher als Indianerin Pocahontas, die sich vom kolonialistischen Kapitän Smith benutzen lässt, überträgt Brunners philosophische Exkurse auf eine menschliche Ebene. Ihre rhetorische Kraft regt zur Reflexion an. Erfrischend ironisch kommentiert Niko Eleftheriadis als Amazone den mythologischen Kontext.
Obwohl Bues’ Regie das komische Potenzial Brunners manchmal zu plump präsentiert, zeugt ihre Regiearbeit von großem Respekt vor der bemerkenswerten Sprachkraft der jungen Autorin, die jetzt als Hausautorin am Theater in Luzern ihr nächstes Stück schreibt. Das strukturelle Labyrinth, das Brunner auftut, löst Bues durch klare Motive auf, die die Schauspieler konsequent entwickeln. Das bringt die literarische Qualität der Dramatikerin schön zum Tragen.